Journées du patrimoine
Was wir uns zu Fuß erlaufen haben, ist am Wochenende Programm: Les Journées du patrimoine, das nationale Erbe wird präsentiert.
Zum nationalen Erbe gehört natürlich Alles, also auch der Trödel. In Cucuron ist Trödelmarkt rund um den Dorfteich, den ehemaligen Mühlenteich.
Das Angebot ist vielfältig. Plastik-Spielzeug, Kinderkleidung, Bücher, dazwischen aber auch schön aufgearbeitetes altes Werkzeug: Äxte, Hacken, Schafscheren, …
Rustikaler geht es beim Mödeltrödel zu, einfache Stühle beherrschen das Bild.
Ein Stück weiter steht ein alter Kerl und hat vor sich auf dem Boden einen Stapel alter Kleidung aufgetürmt. Er selbst sieht aus, als ob er sich aus seinem Angebot bedient hätte, und seine Kundschaft dreht und wendet den Haufen um: eine Mütze „1 Euro“, eine andere Mütze „2 Euro“, der alte Wintermantel „10 Euro“.
Die heilige Familie hat es auf der Flucht in eine alte Obstkiste verschlagen, und man sieht ihr an, dass sie schon viel mitgemacht hat.
Schnäppchen gibt es hier für den Touristen nicht; nur ein paar Kinder sieht man glücklich mit gebrauchtem Plastik-Spielzeug abziehen.
Der Rückweg geht durchs sonntägliche Cucuron. Da ist von dem Markt-Gewusel nichts zu sehen, man trifft kaum Leute auf der Straße, die Wäsche kann unbehelligt auf dem Ständer vor dem Haus trocknen.
Die Fensterläden treten mit ihrem Blau gegen das Blau des Himmels an, der sich im Fenster spiegelt.
Gegenüber schaut man auf eins der Dächer, die das Bild der Landschaft prägen. Mönch und Nonne ist die sprechende Bezeichnung für diese Ziegel; schaut man genau hin, sieht man die Abdrücke der Hände, die die Ziegel geformt haben.
Altes Handwerk begegnet uns auch eine Gasse weiter: Carrelage Faïence, das sind doch die glasierten Fliesen, aus denen hier traditionell die Fußböden bestehen! In Lourmarin haben wir noch bei der Schlossbesichtigung gelesen, dass die Boden-Fliesen im Zuge der Restaurierung extra in Apt – nicht weit von hier – angefertigt worden sind.
Patrimoine besteht aber nicht nur aus Trödel. Wir haben uns für diesen Tag die Besichtigung des Schlosses in Ansouis aufgespart, nicht weit von Cucuron. Das Schloss dominiert weithin die Ebene, auf einem Felsen gelegen kontrollierte es im 12. Jahrhundert den Zugang zu dieser Gegend. Später verlor es seine militärische Bedeutung, die Schlossherren bauten zu ihrem Vergnügen ein zweites Schloss um das alte herum, und heute öffnet die Besitzerfamilie den Zugang: die Unterhaltung des zweifachen Schlosses und die Pflege der Ausstattung mit Möbeln und anderen Kunstgegenständen ist ihr teures Privatvergnügen, gegen Geld darf man gucken.
Im Schloss gibt es selbstverständlich eine private Schlosskapelle, in der die Besitzerfamilie ihren Glauben pflegt. Ein Altar aus exquisitem rotem Marmor, voller Stolz weist die Besitzerin auf die goldgewirkten Messgewänder hin; gegenüber entblößt eine Prinzessin ihre in Öl gemalten Brüste.
Für das gemeine Volk ist die öffentliche Kirche, die in die große Schloss-Anlage integriert ist mit einem Zugang von außen. Hier sind Mauern, Malerei und Ausstattung nicht so sorgsam restauriert wie im Schloss-Inneren. Die schlichten Gewölbe beeindrucken mit ihrer Massigkeit und Größe, die alte Ausmalung ist in Spuren zu erkennen; darunter tummelt sich der Gips. Im Schloss erklärt die Besitzerin mit Begeisterung die Stukkaturen, die sie bei der Restaurierung unter alten Tapeten entdeckt haben: nach Art von Aix-en-Provence sind die plastischen Darstellungen und Muster ausgeführt, Putten tanzen den Reigen der vier Jahreszeiten. In der öffentlichen Kirche versammelt sich der Gips in Form von einfachen Heiligendarstellungen.
Noch stärker empfinden wir den Kontrast, als wir um die Ecke gehen. Unterhalb der Schlosskirche sitzt eine Gruppe von Hooligans, lässt laute Musik laufen und geht die Passanten an. Aber auch das ist: Patrimoine.