Auf dem Weg: Die Pfalz
Die Schulferien sind vorüber, fast alle Sonnenanbeter müssen im September frisch gebraten wieder arbeiten gehen: ideale Reisezeit für Camping in Frankreich. Frankreich des Wetters wegen. Wo sonst kann man in akzeptabler Entfernung verlässlich mit gutem Herbstwetter rechnen? Die online-Wetterdienste geben alle dieselbe Antwort, rund um Avignon sollte man im September sein.
Wer jetzt unterwegs ist, hat Zeit – und sucht nicht nach den großen Rummelplätzen. Die nötigen Besorgungen sind überschaubar. Wanderschuhe inspizieren, Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50+, neue Campingführer, auch die etablierten mit den Super-Vorteils-und-sonstewas-Empfehlungen für das Camping mit Luxus-Klo und Disko. An erster Stelle aber Le Guide Officiel Camping Caravaning, Les 9226 Campings de France, das (fast) vollständige Verzeichnis aller französischen Campingplätze. Es enthält auch die ganz kleinen beim Bauern.
Sonst: nur das immer gleiche Packen. Kann man den sperrigen Wohnwagen für einen Tag vor die Haustür stellen, wird die Lieblingsnachbarin sich wieder darüber aufregen? Immer nimmt man doch zu wenige Sommersachen mit, weil es in Deutschland gerade schattig ist, aber das kennt man.
Dann die Befreiung. Der Packstress liegt hinter und die Straße vor einem, das Navi weckt falsche Hoffnungen. Natürlich hat man in den letzten Tagen lange gegrübelt, welcher Dornröschen-Platz unbedingt am Ende der ersten Etappe entdeckt werden muss. Kein Problem, sagt das Navi, und dann stockt alles bei Dortmund. „Vollsperrung“ werden die Schweden unter ihre Urlaubsfotos schreiben: unsere Nachbarn auf der mittleren Fahrspur, sie vertreiben sich die Zeit, indem sie sich gegenseitig mitten auf der Autobahn fotografieren.
Wir haben Urlaub, wir haben Zeit, wir machen uns keinen Stress, es ist doch schön in der prallen Sonne auf dem Highway, nach einer Stunde enden die Flüche und Stoßgebete. Das könnte noch was werden, denkt man, und rollt auf die nächste Vollsperrung zu. Brückensprengung oder so ähnlich, unerschüttert nimmt man die Umleitung. Und disponiert um. Dornröschen muss ungeküsst bleiben, wir entdecken die Pfalz! Gar nicht so einfach, der nette kleine Platz beim Weingut ist voll, wahrscheinlich ist dort gerade Weinfest – das Handy hat einen Umweg erspart. Dafür meldet Ersatz-Dornröschen ein paar Kilometer weiter „Kommen Sie nur“, wir sind gerettet!
Diese Ecke kennen wir noch gar nicht, es geht von der Autobahn ab, die Straßen immer schmaler, die Dörfer immer unansehnlicher: was wird das geben? Das Navi lenkt auf eine Art Wirtschaftsweg. Krummpucklig schlängelt er sich schmal über den Hügel, nur die frischen weißen Streifen links und rechts behaupten, dass das eine echte Straße ist. Bloß kein Gegenverkehr, nirgendwo eine Ausweichmöglichkeit! Oberes Pfrimmtal, neben dem Landgasthof Hetschmühle ein bräunlicher Teich mit ansprechender Landschaft drum herum, Camping mit Kneipp. Denn in den ehemaligen Mühlenbach darf man seine Füße tunken.
Dass Dornröschen immer noch auf den Prinzen wartet, hat allerdings einen ernsten Grund. Wo im Märchen das rosige Dornengestrüpp wuchert, beißt man sich in der Hetschmühle durch eine nicht gerade ländliche Küche. Rinderbrühe mit Flädle für 4,50 Euro – man kennt das Risiko und ist doch immer wieder neu empört, wenn heißes Wasser mit einem halben Brühwürfel teuer verkauft wird. Der Wurstsalat bedenklich, und der örtliche Riesling heilsam – Sie kennen doch die alte Naturmedizin, man nimmt diesen Wein gegen Magengeschwüre, er zieht alle Löcher und wunden Stellen im Körper sofort zusammen? So muss Dornröschen weiter RTL2 gucken und auf vagabundierende Adlige warten. Der Restaurantpächter, das sei nicht verschwiegen, wechselt übrigens am Jahresende.
Aber was soll’s, es ist Urlaub, dies herrliche Gefühl übersteht auch solches Essen. Und zur Ehre der Region darf schon vorweggenommen werden: im nahen Sippersfeld gibt es beim Bäcker Dautermann ein leckeres Körnerbrot, das auch Tage später noch angenehm an diesen Ort erinnert.