Bunt, und was noch?
Wahl ohne Plakate, das geht gar nicht. Aber was druckt man drauf? Es ist Wahl-Sonntag, man schlendert mal über die Marktallee in Hiltrup und schaut sich um. Man sieht: Am ehesten die bewährten Allgemein-Plätzchen. Freiheit passt immer, wenn auch die Kombination mit dem Zirkus-Plakat im Hintergrund unfreiwillig komisch wirkt.
Dann müssen natürlich Gesichter auf die Plakate. Da hilft es den Plakatfiguren nichts, sie müssen drauf.
Wer es ein wenig dynamischer mag, spielt mit der Hausinstallation. Volt und Power, das ist – vielleicht doch nur Schwachstrom? Oder gar Schwachsinn? Aus guten Gründen leben wir in einer repräsentativen Demokratie. Für Power to the people – Volksabstimmung, Volksentscheid, Volksbefragung – braucht es sehr fein austarierte Regeln, das passt auf kein Plakat.
Wer kein Licht im Tunnel sieht, muss bekanntlich besonders laut pfeifen. Schutz für Flüchtlinge ist nicht verhandelbar, aber wie man mit so einer Parole eine Wahl gewinnen will, das erschließt sich nur den Eingeweihten.
Besser man greift auf bewährte Sympathiefiguren zurück. Eisbären, besonders in Form von Eisbärchen (nicht zu verwechseln mit Gummibärchen) sind doch einfach zum Knuddeln, und die alte Nummer mit den Profiten und nurmitlinks hat auch immer ihre besondere Wirkung. Auf in die Nische!
Stärke ist auch so eine Vokabel des politischen Kampfes. Stärke hat man, oder man zeigt sie, oder man will sie. Es gibt sie als Kartoffel-, Reis- oder grüne Stärke, aber warum soll es sie nur in Europa geben? Wofür eigentlich? Sinn und Aussage haben nicht mehr aufs Plakat gepasst.
Doch, nebenan steht, was die grüne Stärke besorgen soll. Blauen Himmel, Wind, Sonne und Pflanzen. Einfach schön.
Dann gibt es noch die Grünen mit den roten Plakaten. Oder sind die nicht grün, die von der ödp? Ein Sonderangebot für die Liebhaber von Kleinparteien. Wählt Splittergruppen, dann wird es wenigstens spannend im Parlament. Oder doch – mit wie viel Bauchschmerzen auch immer – eine der „großen“ Parteien, damit das Parlament handlungsfähig bleibt? Auch gegenüber den europäischen Nazis aller Sorten?
Geradezu satirisch der Rückgriff auf die alte Schokoladenwerbung. Ökologisch demokratisch gut, das hieß früher doch Quadratisch praktisch gut – und das Zeug schmeckte gar nicht so besonders?
Die starken Stimmen neigen zu gehäuftem Auftreten. Auch die SPD liebt das Stichwort, aber hier ist es der Superlativ: Stärkste Stimmen.
Die Anti-Nazi-Werbung der Grünen muss man näher betrachten. Ist es sinnvoll, diese Leute überhaupt zu nennen? Wegen Verdacht des Landesverrats sind ihre Kandidaten von der Bildfläche verschwunden, andere Exponenten werden wegen ihrer Nazi-Parolen verurteilt. Und ist es nicht anmaßend, nur sich selbst als Alternative zu präsentieren? Viele andere Parteien bieten sich an, Demokratie und Menschenrechte zu verteidigen.
Wohlstand für alle hieß das früher mal, lang lang ist’s her. Lang genug, um ein Thema zu besetzen, bei dem die Grünen traditionell schwach aussehen. Peinlich nur, dass der Mindestlohn ein Verdienst der SPD ist.
Seit es die CDU gibt, plakatiert sie Sicherheit. Früher stand auch noch auf den Plakaten, dass die Roten das Volk verraten.
Vandalismus gibt es in jedem Wahlkampf. In den Medien fand das sonst kaum Beachtung, dies Jahr ist das anders. Immer werden Plakate beschädigt, vor allem wenn sie nicht hoch genug aufgehängt werden. Da muss die örtliche Parteiorganisation eben ab und zu nachschauen und reparieren.
Vandalismus trifft alle Parteien, sie gehen nur unterschiedlich damit um. In der Höhe darüber hat sich die FDP in Sicherheit gebracht – aber wo ist denn die Krawall-Agnes geblieben? Haut doch sonst so strack die Russen und den Kanzler; das ist in Hiltrup wohl nicht so recht vermittelbar. Man bekennt sich zur Streitlust und will auch „Streitbar in Europa“ sein, aber man nimmt doch den Notausgang und macht in Bildung. Als ob Europa über deutsche Schulen entscheidet.
Ach ja, die Leute vom politischen Rand plakatieren auch. Hier haben sie sich gleich am selben Mast zusammengefunden, beide mit derselben Parole: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.
Der Klassiker des Wahlplakats: Alles auf ein Rechteck. Alt und Jung, ja und Klima machen wir auch.
So wandert man ein wenig frustriert zurück, aber es gibt doch noch ein wenig Spaß. Eis, Leute, mehr Eis versprechen die Elektriker. Warum hängt das Plakat nicht vor der Eisdiele? Wer wird verstehen, was gemeint ist?
Was bleibt, ist die Frage nach dem Sinn der Plakate. Wen überzeugt oder motiviert man mit dem bunten Zeugs? Oder ist das nur der Nachweis für die Parteimitglieder, dass man noch nicht aufgegeben hat?