BAföG in Münster: Kein Geld für bedürftige Studenten II

Chaos oder vorsätzliche Destruktion im Studierendenwerk Münster?

„Hinweis: Ihr Vater hat ein Recht auf Information über den Ausbildungsgang für den er zum Unterhalt verpflichtet ist.“

Die Studentin, die diesen unzweifelhaft richtigen Hinweis vom Studierendenwerk Münster erhält, geht jetzt in ihr fünftes Studiensemester. Sie gehört zu den StudentInnen, für die vor langer Zeit BAFöG erfunden wurde: Bundesausbildungsförderung. Chancengleichheit und Begabtenförderung. Die Eltern geschieden und zerstritten, die Mutter mittellos, der Vater für den Gerichtsvollzieher nicht zu fassen, das Kind mittellos im Studium, der Staat soll helfen.

Das Studierendenwerk Münster tut Alles, damit diese junge Studentin nicht studieren kann. Wie, das kann nicht wahr sein?

Doch, so ist es, anders kann man es nicht nennen.

Beim Studienbeginn hat es vom BAFöG-Antrag bis zur Auszahlung einer mickrigen Abschlagszahlung fast acht Monate gedauert. Acht Monate ohne Geld heißt Obdachlosigkeit und Hunger. Oder: Nicht studieren. Oder, als letzter Ausweg: Geld leihen – wenn man jemanden findet, der Risikokapital zur Verfügung stellt.

Man muss nicht das Bild der Zahnarztkinder bemühen, die angeblich – dank eines guten Steuerberaters – BAFöG als Zubrot für einen feudalen Lebensstil nutzen. Es reicht, sich den konkreten Fall des armen Scheidungskindes anzusehen: Mutter mittellos, Vater zahlt nicht, Studium geht nur mit BAFöG.

Und dann gerät diese Studentin an das Studierendenwerk Münster, wo über BAFöG entschieden wird. Das Studierendenwerk Münster hat seit zwei Jahren keinen Chef mehr. Aktuell hat man hier den gefeuerten Planungsdezernenten der Stadt Münster versorgt, er macht den kommissarischen Geschäftsführer. Was er dort macht? Die Internetseite des Studierendenwerks gibt vorsichtshalber weder Telefonnummer noch Email-Adresse des kommissarischen Geschäftsführers an.

Die Studentin findet eine Weile Unterschlupf bei hilfsbereiten entfernten Verwandten. Sie informiert das Studierendenwerk, und rasend schnell wird ihr BAFöG gekürzt. Weil der Vater seine Unterhaltspflicht vorsätzlich verletzt, bekommt sie BAFöG als Vorausleistung; da wird jedes geschenkte Brötchen, jede unentgeltliche Nacht unter fremdem Dach sofort angerechnet. Dann findet sie ein bezahlbares Zimmer – dank Corona werden Studentenbuden frei! – und bittet um BAFöG-Geld: Das Zimmer muss bezahlt werden, Essen muss gekauft werden.

Das ist die Stunde des Studierendenwerks, und diese Leute machen ganze Arbeit. Die lassen sich von dem zahlungsunwilligen Vater erzählen, dass er gar nichts von ihrem Studium weiß. Dabei haben sie die ganze Vorgeschichte in ihren Akten: Der Vater ist laufend schriftlich informiert worden über das Studium seiner Tochter, in Kopie liegt das irgendwo im Studierendenwerk, mehrfach musste die Studentin nachweisen, dass sie ihren Vater informiert hat.

Aber die Leute im Studierendenwerk, was machen die mit diesen Akten? Entweder lesen sie sie nicht – auch das mag die Studentin inzwischen nicht mehr ausschließen – oder suchen sie. Ein beliebtes Bürokraten-Spiel: Ei wo ist sie denn, das konnte die Studentin schon mit ansehen. Oder es gibt bei verschiedenen Sachbearbeitern mehrere Akten, ganz unabhängig voneinander, und keiner weiß vom andern?

Jedenfalls bekommt die Studentin kein Geld für Miete und Essen, sondern einen Brief mit dem „Hinweis: Ihr Vater hat ein Recht auf Information …“, siehe oben.

Was macht man dann?

Man schreibt ans Studierendenwerk Münster und bittet, doch einfach mal die Akten zu lesen. Oder man zündet – wir sind in Münster – im Dom eine Kerze an. Aber die Studentin ist nicht katholisch. Und am Ende müssen wieder die entfernten Verwandten das Portemonnaie aufmachen und zahlen, Miete, Mietkaution, Lebensunterhalt, Semestergebühren, allein die stehen mit 300 Euro zu Buche.

Schreien könnte man vor Wut. Aber darüber lachen die nur an der Bismarckallee.