Am Widerlager der Prinz-Brücke in Hiltrup wollten mehrere Menschen ihres ermordeten Freundes gedenken. Hier hatten sie sich oft getroffen, hier sollte ein Graffito an seinen tragischen Tod erinnern. Ein berührendes Anliegen war das. Die Hiltruper Öffentlichkeit wollte sich dem nicht verschließen – auch wenn es in unserer Kultur nicht gerade Standard ist, öffentliche Flächen und Gebäude zum Andenken an einzelne Verstorbene zu bemalen. Ausnahmen sind möglich, auch die kleinen Gedenk-Kreuze am Straßenrand werden ja pietätvoll geduldet.
Gedenken ist meist etwas Höchstpersönliches. Meist ist es der Schmerz, den der Verlust eines geliebten Menschen bedeutet, die Erinnerung an eine enge persönliche Beziehung. Tot ist er erst, wenn niemand mehr über ihn redet oder an ihn denkt. Der Freundeskreis, der das Graffito an der Brücke schaffen wollte, hat sich jetzt höchstpersönlich umentschieden. Diese Entscheidung ist zu respektieren, so hat es auch der Bezirksbürgermeister gesehen.
Also bleibt es dabei, es gibt ein neues technisches Bauwerk über den Kanal, und fertig?
Da kennt man die Hiltruper schlecht. Da ist jetzt doch Geld im Topf, und das muss weg! Wenn nicht mehr an die alltägliche Gewalt und ihr Opfer erinnert werden soll, dann malen wir uns eben etwas anderes! Kunst hat es in Hiltrup durchaus schwer, aber wie wäre es mit etwas Technischem auf dem technischen Bauwerk? Statt Totengedenken eine technische Zeichnung, vielleicht ein Bild einer alten Brücke, sozusagen Brücke zu Brücke?
Wir sollten eine Kommission zur Verausgabung von Haushaltsresten bilden und die Idee verfeinern. Geschichtliches Verständnis ist gefragt, wo fangen wir an? Mehrere Zeichnungen sind anzufertigen: Der alte Sandweg durch die Hülsheide. Der Sandweg mit der neuen Eisenbahn. Der Sandweg mit der ersten Prinz-Brücke über den Kanal, genietetes Stahl-Fachwerk. Die befestigte Wolbecker Straße mit der ersten Prinz-Brücke über den Kanal, genietetes Stahl-Fachwerk. Die zweite Prinz-Brücke über den Kanal, geschweißte Bogenbrücke. Die dritte Prinz-Brücke, aber bitte in zwei Zeichnungen: Als Duisburger Karl-Lehr-Brücke und als abgespeckte Prinz-Brücke, genietetes Stahl-Fachwerk. Die vierte Prinz-Brücke, geschweißte Stab-Bogenbrücke. Und die Eisenbahnbrücke, einige Meter weiter: Behelfssteg von 1940 über das trockene Kanalbett der II. Fahrt, einfache Zimmermannsarbeit; Stahl-Fachwerk von 1951 und Stab-Bogenbrücke von 2001. Sie alle haben unser Leben und das unserer Vorväter und -mütter lange begleitet.
Da brauchen wir viel Platz, ein Widerlager wird für all die Zeichnungen nicht reichen, das Geld erst recht nicht. Oder verzichten wir doch besser auf all diese Anstreicherarbeiten? Und halten inne, in Respekt vor dem missglückten Gedenken an ein Verbrechensopfer.