Vom Selbstverständnis der Handwerker
Handwerk hat goldenen Boden. Nicht, dass jetzt die Parkettleger gemeint sind, i bewahre. Nein, nur so ganz allgemein, Sprichwörtern wird doch immer ein wahrer Kern nachgesagt. Aber Geld, nein Gold macht nicht glücklich, auch das hat ein granum salis – so gelehrt wollen wir den Hand-Werkern aber gar nicht kommen. Versuchen Sie mal ganz einfach, einen Auftrag im ehrenwerten Handwerk unterzubringen!
Da gibt es die einen, die sich die Not des Reparaturwilligen anhören – und tatsächlich kommen. In Zeiten einer überschäumenden Baukonjunktur haben sie ein Ohr und ein Herz für den Kunden mit dem kaputten Dach, und kommen. Ohne Expresszuschlag, einfach so.
Dann gibt es die anderen. Totalerneuerung eines Badezimmers, dem Bauherrn oder der Baufrau schwant schon, unter 20.000 Euros wird nichts gehen. Aber die Badewanne muss raus, altengerecht soll’s werden. So kommt man ins Gespräch: Man werde die Innenarchitektin schicken, die mache dann einen Entwurf. Sie kommt, nimmt Maß. Zeichnet einen schlichten Grundriss, Bodenfliesen in Holzoptik – welcher „Designer“ hat sich bloß solchen Schwachsinn ausgedacht? – und nennt einen Preis. Exakt 25.000 Euro werde das kosten. Welche Ausstattung, welches Material, alles offen. Erste Ernüchterung setzt ein. Hatte man nicht ausdrücklich erklärt, man wolle kein Handwerker-Hopping, sei fest entschlossen und warte auf Detailvorschläge?
Das war wohl nichts. Also auf zu Handwerker 2. Der sitzt auch am Ort, hat sogar ein Schickimicki-Baddesign-Studio, er schickt den nächsten Außendienstler. Kommt, misst, zeichnet einen Entwurf – der fällt jetzt schon etwas detaillierter aus , lädt zum Auswahltermin beim Sanitärgroßhändler. Hier wird empfohlen, was gut (?) und teuer ist. Eine Überkopfbrause muss es sein, allein die kostet mehrere hundert Euro, die Armaturen nur vom Edellieferanten; der Waschtisch – das gute alte Waschbecken gibt es nicht mehr – muss als Schale auf einem hölzernen Untergestell stehen; wie man diese schmale Fuge zwischen Porzellan und Holz sauber halten soll, bleibt offen. Die Kunden haben es nicht eilig, das erklären sie ausdrücklich, und sie haben allerlei Fragen, schließlich müssen sie voraussichtlich dreißig Jahre in und mit diesem neuen Bad leben und fertig werden. Man vertagt sich. Die Kunden schauen sich um: Beim Fliesengroßhändler, beim Armaturengroßhändler, beim Glaslieferanten, beim Badmöbel-Schreiner, auch im Internet. Alles immer mit der ausdrücklichen Erklärung: Wir wollen das mit Handwerker sowieso machen, über den soll es laufen. Dann kommt eine Email, vom Handwerker sowieso: Er sei jetzt fertig mit diesen Kunden! Er habe viel Zeit und Arbeit investiert, interne Kosten für Planungs und Entwurfskosten, Innenarchitektin, Termin vor Ort sowie beim Großhändler, Angebotserstellung sowie Nebengewerksfirmen aktuell 1690,-€. Bei den bereitgestellten Projektunterlagen handele es sich um sein geistiges Eigentum.
Sein geistiges Eigentum mag er nun getrost behalten. Die Kunden lassen sich ungern vorwerfen, dass die Angebotserstellung Geld gekostet hat, schließlich waren sie durchaus bereit, diese Kosten zu tragen. Sie sind in der Material- und Stundenlohnrechnung eingepreist, und wenn nicht, müssen sie eben extra auf die Rechnung. Aber als Vorwurf gegen den Kunden taugen sie nicht, dieser Vorwurf disqualifiziert den Handwerker.
Handwerker Nummer 3 wird eingeladen, er hat tolle Sprüche auf Lager. Ärzte gebe es genug im Land, aber Handwerker, die fehlen! Nummer 3 muss ausgeladen werden, weil die Corona-Welle über das Land schwappt und überall Ärzte gebraucht werden. Dann kommt zu Ostern eine Werbemail: Man sei nach Ostern in bewährter Art für seine Kunden da. Also schreiben die Kunden eine Email an Handwerker Nummer 3 und fügen schon einmal Fotos und Maßzeichnungen bei. Nicht die von Nummer 2, geistiges Eigentum weiß man zu achten. Nichts tut sich. Die Kunden rufen an, der Sachbearbeiter ist nicht am Platz, ihm wird eine Nachricht mit der Bitte um Rückruf auf den Platz gelegt.
Das ist nun wieder Wochen her. Es gibt keinen Rückruf, keine Antwort auf die Mail der Kunden. Vielleicht ist der Bäder-Sachbearbeiter dauerhaft beim Arzt? Oder Firma Nummer 3 nimmt keine Aufträge mehr an, die Mail von Ostern war nur ein Scherz?
Still ruht das alte Bad. Mit den großen Handwerkerfirmen aus Hiltrup oder Umgebung macht es offensichtlich keinen Sinn. Aber neben den großen Firmen mit den Bäder-Spezial-Sachbearbeitern gibt es ja auch noch die ganz normalen Handwerker: Meister und ein paar Gesellen. Mal sehen…