Vorsicht: Liebe Nachbarn in Hiltrup

Werbezettel von nebenan.de, am 9.11.2016 in Hiltrup-Mitte in die Briefkästen verteilt (Ausschnitt)
Werbezettel von nebenan.de, am 9.11.2016 in Hiltrup-Mitte in die Briefkästen verteilt (Ausschnitt)

Stephan und Alexandra aus der Bodelschwinghstraße wollen Gutes für uns in Hiltrup-Mitte. Das schreiben sie uns, wie auch immer sie wirklich heißen, auf anonymen schlichten Handzetteln. Gutes ist heute immer digital. Nachbarn kennenlernen, Gemeinschaft stärken, Ärzte und Handwerker benoten, ausrangierte Fahrräder tauschen und gemeinsam grillen, all diese guten Dinge gibt es natürlich nur online. Wer redet schon mit seinem Nachbarn? Also: registriert euch! Ganz vertraulich und geradezu geheim geht das in Hiltrup-Mitte, darum steht das Passwort gleich auf dem Handzettel in allen Briefkästen.

Auf den ersten Blick ist man begeistert: endlich kommen wir uns näher in Hiltrup! Na ja, ausrangierte Fahrräder brauchen wir nicht gerade, ein funktionierendes tut’s auch, aber sonst hört sich das doch ganz nett an. Ganz sicher wird es auch gesittet zugehen auf dieser Online-Plattform; Schmähkritik über Ärzte, Mobbing gegen Nachbarn – Vorsicht, jeder weiß, den Zettel mit dem Passwort hat auch die Polizeiwache bekommen!

Aber: Wer steckt eigentlich dahinter? „Die Zettel, die durch ihre simple Aufmachung so wirken, als stammten sie von „echten“ Nachbarn und nicht von einem professionellen Unternehmen, haben Mitarbeiter der Online-Plattform www.nebenan.de aufgehängt“, schreibt die RP online zu entsprechenden Aktivitäten in Düsseldorf. „Das neue Facebook für die Nachbarschaft“ titelt die Süddeutsche Zeitung dazu. Hmm, brauchen wir das in Hiltrup-Mitte? Die soziale Ebene ist den nebenan-Machern wichtig, haben wir da nicht mit facebook schon Probleme genug?

Werbung gibt es jetzt noch nicht bei nebenan, aber jedem muss klar sein: alles, was angeblich kostenlos ist, wird von irgendjemandem bezahlt. Bei nebenan sind es Investoren, da wird auf eine zukünftige Rendite gesetzt; Burda engagiert sich nicht, weil er nur die Hiltruper Nachbarn so nett findet und kennenlernen will. Das Hiltruper Gewerbe soll sicherlich irgendwann mal einsteigen, gegen Gebühr natürlich, und dann geht einem langsam der Sinn der Sache auf. Wer heute auf nebenan ein gebrauchtes Fahrrad vom Nachbarn sucht, der bekommt morgen ein haargenau passendes Angebot von Hölscher oder Velotec oder Weste oder Wiesmann; und wer gestern blaue Kleidung gesucht hat, bekommt dann genau zugeschnitten ein blaues Fahrrad angeboten. Gezahlt hat dann am Ende der Händler in Hiltrup – und wir selbst, mit unseren persönlichen Daten.

Also, Stephan und Alexandra aus der Bodelschwinghstraße (oder Good Hood GmbH, Köpenicker Straße 154, 10997 Berlin), erklärt euch: wenn es euch in Person gibt, dann nehmt doch mal Stellung zu diesen Bedenken! Ihr braucht nur einen Kommentar auf dieser Seite zu hinterlassen! Dann sagt doch, warum ihr unsere genaue Adresse und unser Alter wissen wollt, und was es mit eurer Datenschutzerklärung wirklich auf sich hat: „Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen dürfen wir für Zwecke der Werbung, zur Marktforschung und zur Verbesserung unserer Dienste Nutzungsprofile unter einem Pseudonym auswerten“. Heißt das nicht ganz einfach, dass ihr unsere allerpersönlichsten Daten kostenfrei geliefert bekommen wollt, um mit Werbung Geld zu verdienen? Und landen nicht alle Zugriffsdaten bei Google in Amerika? Über ein glasklares Dementi würde ich mich freuen, allein mir fehlt der Glaube. Für dumm verkaufen lassen wir uns nicht. Nicht in Hiltrup. Anderswo übrigens auch nicht.

(Siehe auch Stephan und Alexandra, die diskreten Nachbarn in Hiltrup.)