Stadtwerke und Roller-Chaos

Rollerblockade, einmal mehr. Diesmal auf dem Gehweg vor dem Hiltruper Krankenhaus (20.1.2022; Foto: Henning Klare)
Rollerblockade, einmal mehr. Diesmal auf dem Gehweg vor dem Hiltruper Krankenhaus (20.1.2022; Foto: Henning Klare)

Den BürgerInnen im Weg, mit dem Segen der Stadtwerke?

Überall stehen die verdammten Dinger herum. Junge und die showbewussten Älteren entsorgen die von ihnen gemieteten Elektroroller nach Art von Dreijährigen: Was nicht mehr gefällt, lässt man fallen. Es ist beinahe wie bei Corona. Eine kleine Minderheit, die sich an keine Regeln halten will (bzw. sich nicht impfen lassen will), macht der übergroßen Mehrheit das Leben schwer.

Sperrzonen müssen her für die Elektroroller, und die Stadt muss sie auf Kosten der Fahrer abschleppen. Über die Versicherungskennzeichen und die Zeit lassen sie sich leicht ermitteln. Und wenn der Halter nicht mitspielt, muss er eben selber zahlen, so einfach regelt das die Straßenverkehrsordnung.

Verkehrsbehindernd abgestellt, mitten im Weg. Tatort: Westfalenstraße, Tatzeit: 20.01.2022, 11:15h. Drei Tage später steht einer der beiden Elektroroller immer noch hier (Foto: Henning Klare)

Verkehrsbehindernd abgestellt, mitten im Weg. Tatort: Westfalenstraße, Tatzeit: 20.01.2022, 11:15h. Drei Tage später steht einer der beiden Elektroroller immer noch hier (Foto: Henning Klare)

Aber dass die Stadtwerke auch noch mitspielen in diesem bösen Spiel, dass das Stadtwerke-Logo frech und groß vorn an den Rollern pappt – das kann man nun wirklich nicht fassen. Die Stadtwerke sind ein kommunales Unternehmen, Münsters BürgerInnen haben vor Jahren ausdrücklich gegen die Privatisierung gestimmt. Für Münsters BürgerInnen müssen die Stadtwerke handeln – dies Rollerchaos müssen wir uns nicht ausgerechnet von den Stadtwerken bieten lassen.

Auf Anfrage erklären die Stadtwerke dazu: „Natürlich müssen E-Scooter wie alle Fahrzeuge im öffentlichen Raum ordentlich abgestellt werden. Das ist uns wichtig und sollte genauso selbstverständlich sein wie bei privaten Fahrrädern. Zudem gehört es sich nicht, dass Vandalen die Roller bewusst umstoßen und liegen lassen. Leider passiert auch das. Sollten Sie Fahrzeuge von TIER entdecken, bei denen das nicht der Fall, wenden Sie sich gern direkt an TIER: support@tier.app. Aus Erfahrung wissen wir, dass TIER vor Ort ist und sich kümmert.

Wir haben im letzten Jahr eine Kooperation mit TIER gestartet. Von Sommer bis Ende 2021 konnten unsere Bus-Abonnenten die E-Scooter der Firma vergünstigt nutzen. Aktuell befinden wir uns in Gesprächen, diesen Service auch für 2022 neu aufzulegen. Warum machen wir das? Gerade Sie als Hiltruper haben es gemerkt: Für eine umfassende Mobilitätswende beschäftigen wir uns nicht nur mit den großen Bussen, sondern auch mit alternativen Möglichkeiten, ohne Auto von A nach B oder von Zuhause zur nächsten größeren Haltestelle zu kommen. Eine Möglichkeit, die wir ausprobieren, ist LOOPmünster. Eine andere sind E-Scooter. Es geht darum, es den Menschen in Münster so bequem wie möglich zu machen, ihre Wege klimafreundlich zurückzulegen – und das heißt ohne Auto. Wenn das ohne großen Komfortverlust mit einer Kombination aus Bus, Bahn, Rad, Carsharing, LOOPmünster, E-Scooter oder Laufen klappt, dann wird es für viele denkbar, ihr Auto (oder zumindest einen Zweitwagen) abzuschaffen. Denn, seien wir einmal ehrlich, den größten Anteil an öffentlichem Raum beanspruchen doch Autos, die häufig 23 Stunden am Tag geparkt sind.

Um sichtbar zu machen, dass alle diese Verkehrsmittel auch verknüpft sind, sehen Sie unser Logo nicht nur auf den Bussen, sondern auch auf der Leezenbox am Bahnhof Hiltrup, den LOOPmünster-Fahrzeugen und eben auch auf den TIER-E-Scootern.

Ich hoffe, das erklärt unsere Beweggründe, was wir uns von der Kooperation versprechen, aber auch, was Sie im Falle von gefährdend platzierten TIER-Fahrzeugen tun können.“

Wer also durch Elektroroller behindert wird, soll das Telefon nehmen und die Verleihfirma anrufen.

Was es mit der reklamierten Umweltfreundlichkeit der Elektroroller auf sich hat, sieht das Umweltbundesamt allerdings eher skeptisch. Es zieht – Stand 27.10.2021 – folgendes Fazit:

„Fazit: Als Leihfahrzeug in Innenstädten, wo ÖPNV-Netze gut ausgebaut und die kurzen Wege gut per Fuß und Fahrrad zurückzulegen sind, bringen die Roller eher Nachteile für die Umwelt – und drohen als zusätzlicher Nutzer der bereits unzureichend ausgebauten Infrastruktur das Zufußgehen und Fahrradfahren unattraktiver zu machen. In der Ökobilanz sind E-Scooter deutlich besser als das Auto. Aber gegenüber dem bewährtem Fahrrad, mit dem sich Strecken ebenso schnell bewältigen lassen und Gepäck besser transportieren lässt, sind E-Scooter die deutlich umweltschädliche Variante und daher keine gute Alternative. … Verleiher sollten E-Scooter statt in Innenstädten besser in den Außenbezirken aufstellen. Hier kann es durchaus sinnvoll sein, die möglicherweise zu lange Strecke zur Bahn schnell mit dem E-Scooter anstatt mit dem Auto zu überbrücken.“

Ob die Perspektive, Autofahrten zum Bahnhof durch Elektroroller zu ersetzen, in Hiltrup tatsächlich besteht, kann man bezweifeln. Elektroroller findet man überall, ihre Nutzung hat keinen erkennbaren Schwerpunkt in der Verbindung von Haustür zum Bahnhof / zur ÖPNV-Haltestelle. Gerade am Hiltruper Bahnhof sind die paar Elektroroller, die dort anzutreffen sind, ein besonderes Ärgernis durch Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer. Und wenn am Hiltruper Bahnhof neue Auto-Parkplätze geschaffen werden, hat diese Politik der Stadt in der Gesamtbewertung nur einen Effekt: Mehr Autofahrten, obendrein die Belästigung durch Jux-Roller.

(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 26.1.2022.)