NRW verzichtet auf Kompetenz im Straßenbau
Seit Monaten schwelt das Thema „Infrastrukturgesellschaft“. Im Kampf um Finanzen haben die Bundesländer dem Bund ihre Kompetenz im Straßenbau angeboten, und der Bund hat gern zugegriffen: in Zukunft soll der Bundesverkehrsminister die Fachverwaltungen der Bundesländer, die bisher den Bau der Autobahnen und Bundesstraßen planen und organisieren, in Form einer Privatfirma, einer GmbH in Bundeseigentum, übernehmen. Die abgewählte rot-grüne Landesregierung von NRW hat dem zugestimmt genauso wie die anderen Landesregierungen.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich in den letzten Monaten bemüht, den Schaden einzugrenzen. Was Frau Kraft und Herrn Groschek offensichtlich egal war, ist der SPD-Spitze im Bund wohl doch nicht so ganz gleichgültig: Die SPD-Bundestagsfraktion schickt jetzt Pressemitteilungen heraus mit der Überschrift „SPD-Fraktion setzt sich bei Bund-Länder-Finanzreform durch / Privatisierung von Autobahnen ausgeschlossen“. So ist vorläufig den Gewinn-Interessen von Bauindustrie und Investoren noch einmal ein Riegel vorgeschoben, es wird fürs erste keine Beteiligung der Privatwirtschaft am Autobahnnetz geben. Fürs erste, muss man betonen.
Was die SPD jetzt als Erfolg verkaufen möchte, wird von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sehr viel nüchterner gesehen. „Selbstaufgabe der Länder“ überschreibt die FAZ am 20.5.2017 ihren Kommentar und nennt dies Verhalten der Länder „hochgradig verantwortungsscheu“.
In Nordrhein-Westfalen hat diese Politik noch einen ganz besonders ärgerlichen Beigeschmack. Hier gab es vor Jahren eine gut funktionierende Aufgabenteilung: das praktische Tun, also das Planen, Bauen und Betreiben der Autobahnen wurde von den kommunalen Landschaftsverbänden erledigt; diese waren als kommunale Organisationen praxis- und kostenorientiert, dazu nah an den Kommunen und ihren Bürgern. Der Landesverkehrsminister hatte die Aufgabe, das nötige Geld vom Bundesverkehrsminister zu besorgen und die Leitlinien zu bestimmen, er beschränkte sich auf ministeriale Aufgaben. Die Kommunen hatten einen gewissen Einfluss; dafür trugen sie einen großen Teil der Personalkosten und achteten dementsprechend auf Wirtschaftlichkeit.
Dann kam der damalige Ministerpräsident von NRW Clement und scheiterte grandios – im heutigen Medien-Sprech würde man sagen: krachend – mit seinen großspurigen Sprüchen von einer umfassenden Verwaltungsreform. Um nicht mit ganz leeren Händen da zu stehen, trotzte er dem Landtag ein Mini-Reförmchen ab und verleibte die kommunalen Straßenbauverwaltungen seiner Landesverwaltung ein.
In der Düsseldorfer Ministerialverwaltung war diese handlungsorientierte und kaufmännisch aufgestellte Einheit von Anfang an ein Fremdkörper. Die Ministerialbürokratie war mit der alten kommunalen Struktur gut zufrieden gewesen. Kaufmännische Buchführung, vor allem aber die betriebswirtschaftlich orientierte flache Hierarchie waren ihr ein Greuel. Vom Pförtner bis zum Staatssekretär, jeder wusste jetzt etwas anzuordnen, und jetzt ging es ans Eingemachte: wo zuvor über Jahre eine aufgabenorientierte Personalbemessung entwickelt worden war, galten jetzt ganz banal Ablieferungspflichten gegenüber dem Finanzminister. Jedes Jahr mussten Stellen abgebaut, musste Personal eingespart werden – und das nach einer Halbierung des Personalbestands in den Jahren davor.
Groschek musste bis 2017 als Landesverkehrsminister erfahren wie es ist, wenn man seine eigene Fachverwaltung klein spart und gleichzeitig öffentlich den Kopf hinhalten muss für den Zustand von Straßen und Brücken. So lag es nahe, diese ungeliebte Verwaltung wie eine heiße Kartoffel an den Bundesverkehrsminister weiterzureichen. Privatisierung hin oder her, was scheren mich sozialdemokratische Überzeugungen, hauptsächlich weg. Man muss bitter hinzufügen: was scheren einen Minister seine Mitarbeiter – hauptsächlich man ist den Ärger los und kriegt von Schäuble auch noch Geld raus.
Im Landtagswahlkampf 2017 hat NRW sich seinen Straßenbau schlecht reden lassen, zuletzt mit krass falschen Behauptungen von Merkel persönlich: die Landesregierung hat es nicht verstanden, den Wählern zu vermitteln, dass man nur so viele Autobahnen und Bundesstraßen bauen kann wie Geld vom Bundesfinanz- und Bundesverkehrsminister zur Verfügung gestellt wird.
In Nordrhein-Westfalen steht der Bau von Autobahnen damit vor der dritten grundlegenden Umorganisation in wenigen Jahren. Erst betriebswirtschaftliche Rationalisierung in kommunaler Hand, dann Rückbau der betriebswirtschaftlichen Strukturen durch das Landesministerium, jetzt eine ungewisse Zukunft in unausgegorener neuer Form. Anderswo heißt es „never change a winning team“, aber in Nordrhein-Westfalen? Hier spielt Effizienz offensichtlich keine Rolle.