Hiltrups Zentrum rund um die Marktallee wird drastisch verändert. Alte Häuser werden durch Neubauten ersetzt, letzte Freiflächen werden bebaut. Das wirkt sich auf verschiedene Weise aus. Winzige Ladenlokale in älteren Häusern sind immer schwieriger zu vermieten; die Lebensmittelversorgung wandert nach und nach aus dem Zentrum, gehbehinderte ältere Bürger müssen zwangsläufig zum teureren Bioladen wechseln; Ladenketten mit allerlei Ramsch- und Billigartikeln breiten sich aus und sorgen für ein Bild der Beliebigkeit.
Das Bild Hiltrups wird neben diesen praktischen Aspekten aber auch durch die Qualität der Architektur bestimmt: ist Hiltrups gute Stube ein Wohlfühlort, oder wird hier Kälte und Sterilität verbreitet?
Eins fällt beim Vergleich der beiden Bilder sofort auf: beide Architekten haben einen fatalen Hang zum Metallbau. Die Häuser wenden ihren betagten Nachbarn eine hochmütig-abweisende Fassade zu; im absoluten Kontrast zu deren harmonisch gegliedertem Erscheinungsbild zeigen sie große ungegliederte Flächen – und als Herausforderung „schmücken“ sie sich mit Metallkisten, die Sparkasse zur Flächenerweiterung, das Clemens-Carré für einen Solitär-Balkon.
Dieser Balkon, wozu dient er eigentlich? Er blickt auf den Nachbarn, Haus Bröcker, und auf den Kirchplatz. Verloren klebt der eine einzige Balkon hoch oben an der Fassade, weckt Erinnerung an Predigt-Kanzeln oder an den Prunk-Balkon alter Rathäuser, von dem die Obrigkeit sich zeigte und verkündete. Ist das gemeint, sollen von dieser Metallkiste aus dem Hiltruper Volk die Leviten gelesen werden?
Beide Neubauten setzen sich mit eher ausgefallenen Farben von ihrer Umgebung ab. Westfalen ist geprägt von den rötlichen Klinkerfarben, also muss man sich absetzen, um wahrgenommen zu werden? Die Modefarbe für Neubauten ist gerade Grau, möglichst Dunkelgrau, Gritzegrau wie Regenwetter, musste das denn unbedingt sein? Wie trübe wird dieser gewaltige Block wirken, wenn er in ein paar Jahren eingeschmutzt ist und niemand mehr Grau für eine Farbe hält! Schön ist auch der Stein der Sparkasse nicht, aber er hat wenigstens Farbe!
Zugegeben, das sind alles höchst subjektive Betrachtungen. Aber: schon der römische Architekt Vitruv hat vor 2.000 Jahren geschrieben, dass Architektur drei Anforderungen erfüllen muss: Festigkeit, Nützlichkeit und Schönheit. Festigkeit und Nützlichkeit werden ganz selbstverständlich von den Kapitalgebern erzwungen; aber wo bleibt die Schönheit?