Moonlight: Tausendundeine Nacht

120 Besucher im Kulturbahnhof (4.10.2019; Foto: Klare)
120 Besucher im Kulturbahnhof (4.10.2019; Foto: Klare)

VorLeseClub begeistert im Kulturbahnhof

Der Wettergott meinte es nicht gut mit den Hiltruper Kaufleuten. Sie hatten den roten Teppich ausgerollt und Lichter aufgestellt für das traditionelle Moonlight-Shopping auf der Marktallee, und es regnete Katzen und Hunde. Schon eine Stunde vor Beginn der Lesung suchten die ersten Besucher ein trockenes Plätzchen im Kulturbahnhof: Der VorLeseClub Hiltrup hatte eingeladen zu einer Lesung der besonderen Art, und die frühen Besucher taten gut daran. Denn der Kulturbahnhof war eine Stunde später bis auf den letzten Platz besetzt, die letzten mussten sich mit einem Stuhl auf der Empore begnügen.

Muhemed Almahmud (Kulturbahnhof, 4.10.2019; Foto: Klare)

Muhemed Almahmud (Kulturbahnhof, 4.10.2019; Foto: Klare)

Erzählungen, Musik und Tanz aus dem alten Orient hatte der VorLeseClub angekündigt, und das Duo Hassan Khalil und Muhemed Almahmud sorgte für die musikalische Einstimmung mit arabischer Musik.

Hassan Khalil (Kulturbahnhof, 4.10.2019; Foto: Klare)

Hassan Khalil (Kulturbahnhof, 4.10.2019; Foto: Klare)

Tausendundeine Nacht, wohl alle haben eine Vorstellung: Ein mörderischer König, eine Frau, die jede Nacht um ihr Leben kämpft, und allerlei Geschichten. Aber warum ist in diesem Literaturklassiker der König der Rahmenhandlung denn so grausam? Eva Höppner trug den Anfang der Rahmenhandlung vor. Kunstvoll sind darin gleich mehrere Einzelgeschichten verschachtelt, als Box-in-the-box tauchen neben einem bösen Geist auch allerlei Lebensweisheiten auf, und das geneigte Publikum wird direkt angesprochen: „Unserem großzügigen, hochgebildeten und vornehmen Publikum sei hiermit kundgetan, dass dieses köstliche und sehnlich erwartete Buch mit der Absicht geschrieben wurde, einem jeden nützlich zu sein, der darin liest. Hier finden sich höchst lehrreiche Lebensgeschichten, …“.

Monika Nessau (Kulturbahnhof, 4.10.2019; Foto: Klare)

Monika Nessau (Kulturbahnhof, 4.10.2019; Foto: Klare)

In der achten der 1001 Nächte erzählt Schahrasad vom Fischer und dem Dschinni. Monika Nessau stellte den gewitzten Fischer vor, der den bösartigen Geist zurück in die Flasche bugsiert – wer kennt den Kern der Geschichte nicht?

Die Geschichte des Gutsbesitzers Abu Saber, gelesen von Heide Kraft, bildet einen Gegenpol zu der „Geistergeschichte“ des Fischers. Hier geht es ganz praktisch um Alltagsphilosophie, um innere Einstellung im Umgang mit den Wechselfällen des Lebens. Abenteuerliches wird berichtet, und darin verpackt ist die Botschaft des Gutsbesitzers und späteren Königs „Habe Geduld….“.

Günter Rohkämper-Hegel (Kulturbahnhof, 4.10.2019; Foto: Klare)

Günter Rohkämper-Hegel (Kulturbahnhof, 4.10.2019; Foto: Klare)

Günter Rohkämper-Hegel hatte „Die fünf Ratschläge“ ausgewählt und machte damit die ganze Spannweite von „Tausendundeine Nacht“ deutlich. Wie die Vorrede der Sammlung ankündigt, sollen die Geschichten „einem jeden nützlich“ sein, so erteilt der Vater auf dem Totenbett dem Sohn Ratschläge. Er soll keine anderen Leute in seine Wohnung aufnehmen, heißt es da zum Beispiel, und die Zuhörer können sich fragen, ob der Vater vielleicht über die Risiken von Wohngemeinschaften nachgedacht hat? Andererseits spielt großzügige Gastfreundschaft eine große Rolle in Tausendundeiner Nacht.

Als Highlight nach der Pause sorgte Sidra mit ihrem Auftritt für Begeisterungsstürme. Prächtiges Kostüm und gekonnter Schleiertanz, verschiedene Facetten des orientalischen Tanzes stellte Lisa Hoedtke vor, und dem Publikum konnte man nur raten: Man kann das lernen, sie unterrichtet an der Volkshochschule!

Die vielfältig verschachtelte Erzählweise von Tausendundeiner Nacht findet sich mit einem Augenzwinkern bei Rafik Schami, gelesen von Gunthild Klare, und auch die erotische Seite kam zu Wort. In diesen Geschichten wird voll Schadenfreude von gehörnten Ehemännern berichtet, höchst vergnüglich betreibt die Frau einen Pendelverkehr durch den „Tunnel zum Glück“ (Anne Sandfort), oder der Liebhaber wird auf die verschiedenste Weise vor dem heimkehrenden Ehemann versteckt („Der Sänger und der Apotheker“ / Henning Klare). Auf dem Höhepunkt der Spannung endete der Abend originalgetreu: „Da überraschte das Morgengrauen Schahrasad, und sie hörte auf zu erzählen. «Ach, Schwester», sagte ihre Schwester Dunyasad zu ihr, «wie köstlich ist deine Geschichte und wie schön und gut und süß und lieblich!» — «Was wisst ihr schon davon», entgegnete sie ihr, «verglichen mit dem, was ich euch morgen Nacht erzählen werde, …“ – dem amüsierten Publikum blieb nur ein Rat: Die Fortsetzung kann man nachlesen!

Für das Gelingen dieses Abends sorgten im Hintergrund die ehrenamtlichen Teams des Kulturbahnhofs und von Solidario, ihnen sei an dieser Stelle besonders gedankt!