Merkel wackelt

Warum die CDU für eine große Koalition kämpfen sollte

Schulz zittert, Nahles kämpft, die SPD streitet. Wenn man die Berichterstattung der Medien verfolgt, hat ausschließlich die SPD ein Problem. Als ob Merkel, Seehofer und Söder auf der Zuschauertribüne einer Wrestling-Show säßen und ihren Spaß hätten.

Merkel ist diskret. Mit Meinung ist sie sehr selten auf der Bühne. Als Stärke, Ruhe, souveräne Gelassenheit wird ihr das seit vielen Jahren angerechnet. Bei nüchterner Betrachtung ist so etwas eher: Nichtssagend. Farblos. Und wenn sie einsame Beschlüsse fasst: hat das schlimme Folgen. Der Atomausstieg war so ein einsamer Beschluss. Erst hatte Merkel den rot-grünen Atomausstieg rückgängig gemacht und die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert – dass da SPD und Grüne ein geordnetes Ausstiegsverfahren auf die Schiene gesetzt hatten, wird Jahre später gern ausgeblendet. Dann bot Fukushima eine Gelegenheit, den Ausstieg vom Ausstieg aus dem Ausstieg zu verkünden. Jahre später haben wir die Rechnung bekommen. Die Atomkonzerne bekommen vom Steuerzahler Milliarden Euro zurück.

Ähnlich unsortiert lief Merkels Migrationspolitik. Einwanderungsgesetz, geordnetes Verfahren zum Umgang mit Migration? Merkels CDU widersetzte sich allen Vorschlägen der SPD. Der Krieg in Syrien war wieder so ein publikumswirksamer Anlass, eine einsame Entscheidung zu verkünden. Europäische Partner einbinden, in der deutschen Innenpolitik Verbündete suchen, mit den Kommunen zusammen Lösungen vorbereiten? Fehlanzeige. Einsamer Beschluss und fertig. Wir schaffen das.

Natürlich schafft ein so reiches Land wie Deutschland viel. Auch Merkels Basta-Beschlüsse werden wir irgendwie abarbeiten. Basta hat aber fatale Nebenwirkungen, Basta stößt die schweigende Mehrheit vor den Kopf. Die da oben machen sowieso was sie wollen. Denen zeigen wir es, die wählen wir nicht mehr. Erst recht nicht, wenn das Basta-Verfahren nicht mehr funktioniert. Seehofer mit seiner zerstrittenen Truppe hat Merkel nicht nur vorgeführt und beleidigt. Seehofer hat dem interessierten Publikum gezeigt, dass Basta inzwischen zur hohlen Kulisse geworden ist. Scheinriese Merkel.

Hinter Merkel stehen keinerlei Inhalte. Die CDU war immer ein Kanzler-Wahlverein. Erst war es Kohl, dann Merkel: inhaltliche Debatten fanden und finden nicht statt. Die aktuellen Sondierungsgespräche mit der SPD haben das mal wieder offen gelegt. Die inhaltlichen Positionen der CDU bestanden daraus, konkrete Vorschläge der SPD zu verhindern. Eigene Vorstellungen? Fehlanzeige.

Diese Verhinderungsstrategie, diese Politik des Aussitzens hat Folgen. Die Jungen in unserem Land haben keine verlässliche Perspektive für ihr Leben. Wer will Familie, vielleicht sogar eigene Wohnung oder Haus angehen, wenn man über viele Jahre mit befristeten Arbeitsverträgen verbringt? Immer wieder um die Verlängerung zittert? Wer will sich für solche Pläne langfristig verschulden, wenn man die soziale Absicherung der Alten als schweren Klotz am eigenen Bein sieht?

Die öffentliche Wahrnehmung war bislang merkwürdig gespalten. Was gut lief, war Merkels Verdienst. Was schlecht lief, war Schuld der Sozis. Dass die Sozis im Wahlkampf eine inhaltliche Diskussion geführt haben, wurde nicht honoriert, Schulz wurde auf die Rolle des Showstars reduziert, heute top und morgen flop. Die ungesteuerte Zuwanderung ist dann beiden, CDU und SPD, auf die Füße gefallen.

Die SPD ist damit bei Licht betrachtet in einer starken Position: Sie entscheidet über Merkel. Wenn die SPD die große Koalition ablehnt, muss die CDU sich neues Führungspersonal suchen. Muss mit Herrn Spahn oder irgendjemandem sonst demnächst in einen Wahlkampf ziehen, der von der Enttäuschung der Wähler geprägt sein wird. Schwarz, Rot, Grün, Gelb, sie haben es alle nicht gebacken bekommen, wen wählen wir dann?

Im Endergebnis gibt es dann nur Verlierer. Das sollten Alle bedenken. Ist es da so verkehrt, was Erhard Eppler sagt? „Wenn die Union noch etwas tun wollte, um rasch zu einer soliden Regierung zu kommen, könnte sie ja uns Sozialdemokraten sagen: Natürlich können wir nicht den ganzen Sondierungsprozess wiederholen. Aber wenn ihr noch drei Wünsche habt, von denen wir mindestens einen erfüllen müssen – dann wollen wir gern darüber reden.“ Bei Fuß, ihr Kauders und Dobrindts!