Sturmschäden und Naturerwachen
Im Versicherungsbüro brannte der Baum – im übertragenen Sinne. Die Mitarbeiter waren ausgelastet mit Schadensmeldungen, während Sturm Friederike noch in Hiltrup tobte. Der Wind schob die ausgewachsene Birke mit ihrem Stamm von 40cm Durchmesser immer weiter auf die Seite, immer näher zur Garage, bis der Stamm schon die Dachkante berührte. Die hohe Krone hing im 45-Grad-Winkel längst über Garage und Haus des Nachbarn, und die Provinzial redete am Telefon von Schadensminderungspflicht: ob man denn keinen Gärtner kommen lassen und die Birke fällen könne, bevor noch mehr passiert?
Der Gärtner, der diesen Garten seit Jahren betreut, hatte in diesem Augenblick längst abgewinkt. Zu gefährlich wäre es gewesen, mitten im Sturm mit der Säge an den Stamm zu gehen; eine gewaltige Spannung ist auf dem Holz, die Reaktion des Baums mitten im Sturm unkalkulierbar. Offensichtlich sahen auch seine Berufskollegen das so; die Provinzial wollte „ihren“ Gärtner rufen, aber auch der kam nicht. So blieb nur Abwarten, und zum Glück wanderte Friederike dann doch schnell genug weiter, bevor die Birke endgültig kippte.
Priorisierung ist jetzt angesagt. Diesen Baum wollte der Gärtner unter die ganz dringlichen Fälle einreihen, aber was heißt das nach einem Orkan? Ihr Mann hole gerade die Bäume von den Dächern, das war die Auskunft der Gärtnersfrau einen Tag später, vielleicht wird es am Samstag was.
Mit 45 Grad Schlagseite hängt der dicke Baum also weiter über zwei Garagen und das Nachbargrundstück, und man macht besser einen großen Bogen um die Garagen. Aber bei allem Jammer über den schönen Baum, der eigentlich noch Jahre stehen sollte: bei näherem Hinsehen lässt der Garten auch im Januar zum Trost Blüten leuchten.
Wie alle Jahre lässt die Zaubernuss ihre Scheinblüten leuchten: je grauer der Januar ist, desto besser kommen sie zur Geltung.
Ein paar Meter weiter kommen die ersten Blüten, mit denen man eigentlich in dieser Jahreszeit überhaupt noch nicht rechnet. Die Kamelie öffnet die ersten Blütenknospen, obwohl es für sie noch viel zu früh ist. Frost vertragen die Blüten nämlich nicht. Wer denkt da nicht an Klimawandel?
Dahinter stehen noch die letzten Blütenstände der Hortensie. Keine frischen Blüten, aber trotzdem noch sehr ansehnlich.
Nicht ganz so spektakulär wie die Kamelie, dafür im ganzen Garten verbreitet: die Schneeglöckchen blühen auch ohne Schnee.