Menschenversuche: Keiner will's gewesen sein

Autoindustrie lässt Abgase schnüffeln

Tja, nun ist es raus. Erst empört sich die Öffentlichkeit, dass die deutschen Autohersteller Versuche mit Affen machen ließen. So ein Affe, der kann viel ab, haben sie sich wohl gedacht; lassen wir den doch mal am Auspuff riechen, dann sieht man, wie gut das tut. Clean Diesel eben. Dann haben sie aber doch wohl nachgedacht, die Herren Müller, Zetsche und Krüger – halt, bevor hier gleich der Firmenanwalt aufschlägt: natürlich haben Müller, Zetsche und Krüger nicht nachgedacht. Denn sie wussten ja von nichts, lassen sie uns jetzt wissen. „Auf das schärfste“ wird jetzt verurteilt, was das Zeug hält, und Alles wird natürlich ganz sorgfältig untersucht. Von Volkswagen wissen wir ja schon, was das bedeutet. Eine teure amerikanische Anwaltsfirma bekommt einen Exklusivauftrag, sie darf ein paar Leute ganz höflich fragen, ob sie auch nichts wissen, und die Powerpoint-Präsentation dieses Ergebnisses kommt dann in den Panzerschrank.

Also, gehen wir mal davon aus, niemand hat etwas gewusst. Irgendwer im Klinikum Aachen hat sich vertan, ja glaubt mir, er wusste auch nicht, wie und warum das geschah: Junge Männer mussten Stickoxide einatmen. Beweisen, wie harmlos das Zeug aus dem Auspuff ist. Wahrscheinlich haben die sich auf eigene Faust eingeschlichen und heimlich an der Gasflasche geschnüffelt, schließlich wollte das doch eigentlich gar niemand. Heute möchte gar jeder das jedenfalls gern so darstellen.

Mal ehrlich: Warum empören sich jetzt eigentlich alle so? Die jungen Männer in Aachen, die haben doch sicher ordentlich Geld dafür bekommen. Jeder hat das Recht, sich selbst zu beschädigen? Und die Affen, ach lass die Tierschützer doch schreien? So ein paar Kreaturen, seien es Affen oder Menschen, das ist doch nicht der Rede wert, den Großversuch mit Millionen von Menschen haben wir doch längst, haben wir doch schon lange, haben wir täglich vor der Haustür: Tür auf, einen tiefen Atemzug, und jeder hat seine Dosis Diesel-Abgas. Ob er will oder nicht. Jeden Tag. Nachbars Diesel (vom eigenen Auto kriegt man ja nichts mit, da hat nur der Hintermann das Problem!), das Taxi, der Heizungsmonteur, der Stadtbus – sehr viele Menschen müssen all diese Stickoxide doch täglich atmen. Und ein paar weitere Schadstoffe noch dazu, so ein Stickoxid kommt selten allein.

Das ist der eigentliche Skandal. Wir haben all die Nachrichten über die große Diesel-Trickserei, über viel zu hohe Giftkonzentration in unserer Atemluft: einfach abgehakt. Nachrichten von gestern. Uninteressant. Wir regen uns neu auf über Tierversuche und menschliche Probanden – so heißt das doch beschönigend? -, und mit dem eigentlichen Skandal haben wir uns abgefunden.

Mal schaun, was die GroKo-Aspiranten dazu beizutragen haben. Diesel-Nachrüstung sei ein Koalitionsthema, hieß es zwischendurch. Die öffentliche Debatte dreht sich aber um Flüchtlinge, um Krankenversicherung und Zeitarbeit: Fällt der Diesel durch den Rost? Gibt es eine Fortsetzung von partiellem Staatsversagen?

Es sieht so aus, als ob Alle auf das Bundesverwaltungsgericht warten. Kommen nach dem Urteil im Februar die Fahrverbote für Diesel, dann muss ganz schnell was passieren, muss mehr kommen als ein bisschen Software-Update-Trickserei. Sagt das Gericht Nein zu Diesel-Fahrverboten, ja was kommt dann? Tief durchatmen? Oder generelle Verkehrsverbote für Fahrzeuge aller Art in den Städten? Zurück in die Steinzeit, zu Fuß?

Falls Merkel noch mal ran darf, muss sie liefern!