Maler-Spekulant

Jetzt ist die Warendorfer Straße 114 dran

Malen ist eine feine Kunst. Die einen malen Aquarell und erheben dabei ihre Seele. Andere streichen Türen und Wände an und verdienen damit ihr Geld. Dann gibt es noch Leute, die zeigen auf ihrer Internetseite gestylte Fotos und versprechen „feine Handwerkskunst, vor allem bei der Sanierung von Altbauten“. Da wird viel versprochen. Worum es wirklich geht, wird dann aber schnell klar: „Nach unserer Erfahrung führt der beste Weg ein Gebäude zu sanieren und zu veräußern über das Handwerk“ – „ohne hierin als Immobilienmakler aufzutreten“.

Es ist eine Firma, die Altbauten aufkauft, in Eigentumswohnungen umwandelt und wieder verkauft. Üblicherweise ist so etwas mit Krediten finanziert. Es muss also schnell gehen, damit die Kreditkosten begrenzt und der Profit maximiert wird.

Die feine Handwerkskunst bleibt da schnell auf der Strecke, es geht eher unfein zu. Das Haus, um das es geht, ist kein Prunkstück. In den 50er Jahren wurde schnell und billig gebaut. Die Wände und Decken sind dünn, man lebt dort sehr sozial: Wenn im Nachbarhaus nachts die Computerspiele laufen, sind die Bewohner von Nr. 114 mittendrin. Und nebenan wird oft und laut gespielt! Sehr laute Musik am Sonntagmorgen um 6 Uhr – in Nr. 114 gibt es Musikliebhaber, sie lassen alle Mitbewohner mithören. Die Fußböden sind auf dem Stand der 50er, die Fenster nicht mehr zu reparieren, der Putz an den Wänden bröckelig, die Bäder waren auch mal neu, und das Dach?

Das Schicksal dieses Hauses ist kein besonderes. Die Eigentümerin erhielt es, bis sie starb. Der Erbe versprach den Mietern viel und tat nichts. Dann war er es leid und verkaufte: Den Käufer empfahl er seinen Mietern als soliden Handwerker. Der hielt sich an keine Terminvereinbarung und machte gleich klar, was er unter feiner Handwerkskunst versteht. Nichts will er investieren, alles soll bleiben wie es ist. Nur Balkone sollen angebaut werden, um das Objekt für naive Käufer aufzuhübschen, dann sollen die Eigentumswohnungen sofort auf den Markt.

Anders gesagt: Mit ein wenig Balkon-Augenwischerei – so verkauft sich das besser – soll so schnell und heftig wie möglich Profit gemacht werden. Wenn die Mieter ihre Wohnungen kaufen wollen: Bitte gern, der Preis wird überzogen hoch sein.

So ist das eben. Vonovia will 2021 eineinhalb Milliarden Euro Gewinn machen, in einem Jahr. Da kann man es den studierten Nachkommen von Handwerkern nicht verdenken, wenn sie auch ihren Reibach machen wollen. Was schert uns das Schicksal der Mieter?

Was diesen Fall so wiederlich macht, ist die Dreistigkeit. Der angebliche Handwerker leistet selber nichts. Abgesehen von dem Balkon-Auftrag an eine Drittfirma erbringt er keinerlei Leistung geschweige denn Wertschöpfung. Er versucht nur, die Mieter einzuschüchtern mit dem Hinweis, dass die Käufer der Wohnungen wegen Eigenbedarf kündigen könnten.

Das ist allerdings nicht ganz so schnell möglich. In Münster gilt eine fünfjährige Kündigungssperrfrist: Den “Altmietern” können die Käufer der Eigentumswohnungen erst fünf Jahre nach Kauf wegen Eigenbedarf kündigen.

Vor diesem Hintergrund macht der Anbau von Balkonen aus Sicht des neuen Hauseigentümers doppelten Sinn. Für die Balkone muss die Fassade geöffnet werden. Das macht die betroffenen Räume durch Dreck und Witterungseinflüsse praktisch unbewohnbar. Wenn man dies – wie in diesem Fall vom neuen Eigentümer vage angekündigt – am Jahresanfang macht, entsteht eine sehr unangenehme Situation für die “Altmieter”. Wenn sie deshalb ausziehen, hat der neue Eigentümer gewonnen: Die Kündigungssperrfrist gilt nicht für “Neumieter”.

So werden die Mieter sich rechtlichen Beistand suchen müssen. Es gilt, die gesetzliche Frist für die Ankündigung von Bauarbeiten durchzusetzen und die Bauarbeiten in den Sommer zu verschieben, erhebliche Mietminderungen für die Bauzeit durchzusetzen oder sogar Hotelkosten, und auf keinen Fall auf das gesetzliche Vorkaufsrecht zu verzichten. Wohnungsbesichtigungen durch Kaufinteressenten sind nur eingeschränkt zu dulden, und natürlich ist man nicht gehindert, eventuelle Kaufinteressenten über den Zustand der Immobilie aufzuklären…

Welche Bank finanziert eigentlich dies Unwesen? Etwa die Stadtsparkasse, ein öffentliches Unternehmen?