Service-Wüste kurz vor Dortmund
Es hätte so schön sein können. Eine neue Wohnung in Münster, nicht überteuert, im Wunsch-Stadtteil, in ordentlichem Zustand; nur eine neue Küche musste her. Kein Problem, denkt sich der Mensch, Küchen verkaufen genug Händler. Hat man in der Vergangenheit nicht gute Erfahrungen mit den Ikea-Küchenmöbeln gemacht? Der Fachhändler berät sorgfältig, er hat verschiedene Lösungen für die kleinen Probleme des Altbaus. Hier ein Schornstein im Weg, da eine Heizungstherme, ein paar Rohre, ein überflüssiger Gasanschluss, er weiß Rat, er nimmt sich wiederholt viel Zeit fürs Kundengespräch – und ist nicht ganz billig. Aber Ikea, die montieren jetzt doch auch? Und sind doch so super billig?
Ikea, man muss erst einmal hinfahren. Bis kurz vor Dortmund. Dann muss man erst einmal Geld auf den Tisch legen. Ohne Laser-Computer-3D-Aufmaß denken die Ikea-Leute nicht einmal nach. Also fährt man wieder nach Hause und lässt die Laser-Computer-3D-Aufmaß-Firma kommen. Das heißt man investiert einen Tag Urlaub; denn diese Firma kommt, wenn es ihr passt, und will in die Wohnung herein gelassen werden. Eine halbe Stunde dauert die Lasershow, 99 Euro sind dafür sofort bar auf die Hand zu blechen. In der Hand des Kunden bleibt nur eine Quittung, die Daten nimmt die Firma mit und übergibt sie am Kunden vorbei direkt an Ikea. Damit der Kunde nicht etwa mit dem schönen Aufmaß zu seinem Fachhändler geht. Ikea rechnet die 99 Euro angeblich an, wenn man die Küche dort bestellt.
Dann fährt man wieder zu Ikea. Bis kurz vor Dortmund. Und stößt auf das höchst qualifizierte Personal von Ikea. Das – wie sagt man doch? – bricht sich einen Nachmittag lang die Ohren. Kämpft mit dem Ikea-Computerprogramm, erst Einzelkämpfer, dann als Mannschaft. Wie, Wasseranschluss und Abfluss sind nicht da, wo der Ikea-Schrank sie gerne hätte? Das geht gar nicht. Da muss ich erst mal die Leute von der Montage fragen. Das dauert. Ausnahmsweise, sagen die dann widerstrebend, also ganz ausnahmsweise könne man da ja vielleicht eine Verlängerung einbauen, aber wirklich nur ausnahmsweise. Liegt diese Zurückhaltung vielleicht daran, dass Ikea einen Pauschalpreis für die Montage nimmt, pro laufenden Meter Küche ein fester Satz? Ein fester Satz, in den Verlängerungen nicht eingepreist sind, obwohl der Preis schon so nicht von Pappe ist?
Der Kunde staunt. Vor ihm schwitzendes Personal, unfreundlich, verzweifelt, mit den Nerven zu Fuß. Am Ende der Kräfte. Für die letzten Zahlen im Angebot muss noch die Montage kalkuliert werden, soundsoviel Meter Küche mal Montagepreis pro Meter – hier bricht Ikea zusammen, nichts geht mehr. Länge mal Meterpreis, der Kunde bietet voller Mitgefühl sein Handy an, das kann auch rechnen. Ja, und dann müssen demnächst noch ein paar Fragen geklärt werden, aber: telefonisch geht das nicht. Telefonisch ist die Ikea-Küchen-Truppe nicht erreichbar, lieber Kunde, dann fahren Sie doch noch einmal, ein drittes Mal bis kurz vor Dortmund, bitten Sie um einen weiteren Beratungstermin, und wenn Sie den dann haben, können wir das bereden.
Die Küche liefert jetzt der Fachhändler. Die 99 Euro für das Laser-Computer-3D-Aufmaß verbucht der Kunde auf dem Konto Lehrgeld. Der Fachhändler misst selbst, der Fachhändler hat keine Probleme mit Wasseranschluss und Abfluss, der Fachhändler hat in einer viel größeren Auswahl genau die Schrankgrößen, mit denen man im Altbau die passende Küche bauen kann. Und noch eins weiß der Kunde, weil er mit diesem Fachhändler schon einmal zusammengearbeitet hat: der Fachhändler ist pünktlich. Er kommt am vereinbarten Termin und wird fertig am vereinbarten Termin. Und hat Telefon.
Und falls die Rechtsabteilung von Ikea dies liest: Natürlich handelt es sich bei diesem missglückten Kundenkontakt um einen absoluten Ausnahmefall. Sehr bedauerlich, natürlich, es wird nicht wieder vorkommen, und darf auch nicht verallgemeinert werden. Ein singuläres Problem eines einzelnen Kunden. Nicht wahr?