Internet am Anschlag

Streaming begrenzen

Home-Office ist hoch aktuell, viele Jobs hängen im Augenblick an Kurzarbeit und Home-Office. So schwer es ist, Haushalt, Kinderbeschulung/-betreuung und Online-Arbeit gleichzeitig zu Hause auf begrenztem Raum zu managen, es ist ein Ausweg. Wir dürfen uns nicht mehr treffen, da sind Telefon und Skype oder ähnliches ein Ausweg. Kino und Theater, Kneipe, Restaurant sind verschlossen, wir streamen einen Film und machen Kino zu Hause. Alles hängt an einer einzigen Ader, per Telefonleitung, Kabel oder Mobilfunk: Internet. Toll, dass es diese Technik gibt.

Wir reden per Skype mit den Enkeln, aber es will nicht so richtig funktionieren, „schlechte Internetverbindung“ erscheint auf dem Display, obwohl wir direkt neben dem Router stehen. Nanu? Doch mal ein neues Handy kaufen?

Wir telefonieren, Stadtgespräch hieß das früher: Wenige Kilometer sind die Gesprächsteilnehmer voneinander entfernt, und sie verstehen sich nicht. Man kannte den Effekt früher von Fotos und Filmen im Internet, da sah man bei schlechter Verbindung plötzlich Klötzchen statt Pixel. Aber beim Telefonieren? Es ist der Fluch der neuen Technik. Auch das Telefongespräch läuft durchs Internet, Sprache wird in Datenpäckchen zerlegt, sie werden einzeln auf die Reise geschickt und erst beim Empfänger wieder zusammen gesetzt. Aber jetzt ist Stau im Internet: Sprach-Datenpäckchen bleiben stecken, kommen nicht mehr an. Das gute alte Festnetz bekommt die Qualität einer sehr schlechten Mobilfunkverbindung auf der Autobahn, zusammenhanglose Bruchstücke und Fetzen statt Sprache kommen aus dem Lautsprecher.

Das Internet als grundlegende Telekommunikations-Infrastruktur kommt offensichtlich an den Rand seiner Leistungsfähigkeit, und manchmal darüber hinaus. Bahnt sich hier eine Katastrophe an, die weitere Jobs und unser gesamtes Zusammenleben bedroht? Vodafone / Unitymedia inserierte am 24.3.2020 ganzseitig in der Süddeutschen Zeitung: „… gemeinsam durch diese schwere Zeit kommen. Manchmal vielleicht mit kleinen Schwierigkeiten“ – da sah man das Unheil wohl schon kommen.

Vielleicht sollten wir langsam darüber nachdenken, ob es wirklich so klug ist, den Tag mit datenintensivem Streaming von Netflix oder ähnlichen Angeboten zu gestalten. Verbindung zum Firmennetzwerk, Kinderserie am Nachmittag, Erwachsenenserie am Abend, Telefonanruf bei Notarzt und Telefonseelsorge, was hat Vorrang, damit aus den „kleinen Schwierigkeiten“ keine ganz großen werden?

Aktuell – heute, 3.4.2020 – ist die Situation bedrohlich. Es sind nicht nur die kleinen Freundschaftsanrufe, um die Freunde in schwierigen Zeiten zu stützen. Tatsächlich ist heute schon der Routinebetrieb der niedergelassenen Ärzte eingeschränkt: Die Praxen haben den Patientenkontakt aufs Telefon umgestellt, soweit dies möglich ist, und brauchen die telefonische Verbindung zu den Kliniken – jetzt brechen diese Telefonate regelmäßig zusammen, müssen mühsam und zeitraubend eins ums andere Mal wiederholt werden. Hier ist die Basis-Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in Gefahr. Wenn es Video sein muss: Die Video-Sprechstunde der Ärzte muss Vorrang haben vor Spielen und Film-Downloads.