Hausarzt ist, wenn…

… der Arzt kommt und gegen Corona impft

Die Morgennachrichten im Radio verkünden eine große Neuigkeit: Da gebe es irgendwo im Lande einen Hausarzt, der mache Hausbesuche und impfe seine alten bettlägerigen Patienten gegen Corona.

Oops, was ist denn da passiert? Eine Revolution, endlich bewegt sich was – oder einfach ein großes Missverständnis in der WDR-Redaktion. Hausbesuche sind die originäre Aufgabe unserer Hausärzte. Punkt. Auch wenn es Hausärzte geben soll, die lieber Praxisärzte sind, also im weißen Kittel hinter dem Schreibtisch auf dem Stuhl. Also noch einmal: Hausbesuche bei den – meist alten – Patienten, die nicht in die Praxis kommen können, gehören einfach dazu. Sie bringen im Normalfall kein Geld, oder ganz deutlich gesagt, Hausbesuche sind zeitaufwendig und ein Zuschussgeschäft. Kein Handwerker kommt für das Geld, das der Hausarzt dafür bekommt.

Corona ändert daran: überhaupt nichts. Corona gibt dem Hausarzt nur zusätzliche Medizin an die Hand. Seit die Hausärzte Impfstoff gegen Corona bekommen, gehört auch die Corona-Impfung zum Hausbesuch. Der alte Mann mit dem appen Bein, wie man im Westfälischen sagt, er kann seine kleine Wohnung nicht mehr verlassen und wird von seinem Hausarzt zu Hause gegen Corona geimpft. Nur der Aufwand für den Arzt ist noch einmal gestiegen, denn der Impfstoff ist empfindlich; wenn der alte Mann mit dem appen Bein mal wieder die Türklingel nicht hört, muss der Arzt einen Plan B haben, damit der Impfstoff nicht verfällt.

Und wenn der Arzt dann den ganzen organisatorischen Aufwand gestemmt hat – Patienten anrufen, ob sie geimpft werden wollen, Impfstoff bestellen, Termine vereinbaren und frei halten, Etiketten auf Spezialpapier ausdrucken, Impfungen per Hausbesuch durchführen, Meldung der einzelnen Impfungen nach Berlin usw usw -, dann kommt die Mitteilung, dass er in der nächsten Woche ganze sechs Impfdosen zugeteilt bekommt.

Der WDR-Redakteur, der das als ganz große Neuigkeit verkauft, sollte vielleicht einmal seinen Hausarzt fragen: Bist du Hausarzt und kommst in der Not, oder willst du nur „Scheine machen“? Die Scheine-Macher sollte er besser meiden. Und vielleicht im Radio mal das Thema aufgreifen, wie hochqualifizierte ärztliche Leistungen bezahlt werden. Geld für persönliche Leistung, Geld für Hausbesuche, oder Apparatemedizin. Diese Frage hat sich auch die Uniklinik Münster gestellt und auf ihre Weise entschieden. Die 2017 mit großem Tamtam eröffnete Hausarztpraxis der Uniklinik Münster (Campus Praxis) wird wieder zugemacht. Als Hausarzt könne man ja nicht so viel verdienen, konnte man im Umfeld hören. Auf der Internetseite der Uniklinik steht jetzt nur noch ganz lapidar: „Unsere aktuellen Praxisschließzeiten sind: Freitag 04.06.2021“.

(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 30.07.2021.)