Motorrad-Lärm-Terror
„Der fette Sound ist einfach einmalig“: Die Westfälischen Nachrichten (29.6.2018) bejubeln den Harley-Traum eines münsterschen Geschäftsmanns. Der Ex-Karnevalsprinz mit Kult-Motorrad hält nicht hinterm Berge: Der besondere Krach, der fette Sound ist wichtig für den Biker.
Brüder im Geiste trifft man zurzeit überall. Die Sonne lockt all die Motorradfahrer heraus, die ihr Spielzeug – nein, halt: ihr Freizeit-Fahrzeug – anderen Leuten unter die Ohren bringen. Da kommt es nicht darauf an, einfach von A nach B zu kommen; der Weg, nein der Krach ist das Ziel. An der Tankstelle die dicke Harley-Davidson einfach so abstellen? Das geht nicht, da muss vorher noch einmal ordentlich der Gashahn aufgerissen werden. Früher, in den Anfangszeiten der Motoren, hatte das noch einen Sinn: eine Extradosis Benzin in die Zylinder bringen, damit der Motor beim nächsten Start gut anspringt. Heute ist das nur noch Terror. Große Schnauze: Hört mal, wer da kommt.
Das Schlimme daran ist, dass der übermäßige Lärm völlig legal ist. Die Maschinen, deren Typgenehmigung bis Ende 2015 erteilt wurde, brauchen nur bei exakt 50 Stundenkilometern einen Lärmgrenzwert einzuhalten, unter und über 50 kmh dürfen sie so laut sein wie der Fahrer es will. Eine Terrorgenehmigung durch den Gesetzgeber sozusagen. Auspuffanlagen lassen sich beim Motorrad einfach austauschen, der Ersatzteilmarkt ist praktisch unkontrolliert. Das Beste aber ist die Auspuffklappe: Für die Prüfnorm ist die Klappe zu, sonst wird sie aufgerissen – und den infernalischen Lärm dürfen Alle mitbekommen, die sich auf oder neben der Straße aufhalten.
„Fetter Sound“: Die Plattform Motorradlärm zitiert Antworten der Bundesregierung zum Thema: „Für die internationale Typgenehmigung bescheinigten die Hersteller sich selbst, dass sie die zulässigen Lärmgrenzen einhielten“, und „Um die Lärmbelastung zu erfassen, müsste eigentlich auch der Pegel nach dem Einbau von abschaltbaren Klappenschalldämpfern und Soundaktuatoren gemessen werden“.
Motorradlärm ist teilweise legal, aber nicht unvermeidbar, und in weiten Bereichen kriminell. Gefördert wird er durch undifferenzierte Berichterstattung. Im Vordergrund steht die kleine-Jungs-Freude am Lärm. „Im Freizeitbereich ist der „Sound“ des Motorrads jedoch essentieller Teil des Fahrerlebnisses und wesentlich bei der Kaufentscheidung. … Motorradfahren ist Männlichkeit, Sportlichkeit, Stärke“ beschreibt das Umweltbundesamt dies Phänomen.
Motorräder müssen nicht laut sein, es geht auch leiser, Jungs werdet doch einfach mal erwachsen! Vielleicht ist der Zoll auf Harley-Davidson mal ein Anlass, darüber nachzudenken?