Genug sondiert

CDU/CSU/SPD: Tragfähige Grundlage für Regierungshandeln

Langsam reicht’s doch, nicht wahr? Ganz Europa wartet darauf, dass Deutschland wieder eine handlungsfähige Regierung bekommt, die überwiegende Mehrheit hat das Lindner-Jamaika-Buntheits-Spektakel gründlich satt. Abgesehen von einigen Plaudertaschen wie zum Beispiel dem nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsidenten haben die Vertreter von Schwarz-Rot Ernst gemacht mit ihrem Arbeitsauftrag: nicht Quatschen, keine überflüssigen Interviews, dafür intensive Verhandlungen und Einhaltung des selbst gesetzten Zeitrahmens.

Wer das Ergebnis jetzt näher anschaut, wird eins sicher vermissen: Spektakuläres. Keine Revolution, keine Gegenrevolution, weder Sozialismus noch Monarchie, kein Systemwechsel in der Krankenversicherung – aber hat das wirklich irgendjemand erwartet? Haben die Wähler der kleinen Parteien wirklich erwartet, dass jetzt Alles anders wird?

Die 28 Seiten Sondierungspapier enthalten viel Selbstverständliches, schöne Aussagen fürs Schaufenster. Aber auch das ist wichtig. Sozialer Rechtsstaat, das ist nicht nur Floskel; sozialer Rechtsstaat ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man um sich schaut, nach Polen, Ungarn, Rumänien, aber auch nach Amerika, und auch ‚rüber zum rechten Rand unserer Parteienlandschaft.

Wo es konkreter wird, ist manches zu begrüßen. Ausbau von Arbeitnehmer-Rechten – wer schreit da eigentlich immer, die SPD sei keine Arbeitnehmerpartei? Begrenzung und Steuerung von Migration bei unangetastetem Asylrecht – ist das nicht etwa ein verantwortungsvoller Kompromiss, auf den eine schweigende Mehrheit in Deutschland lange schon gewartet hat? Mehr Geld in der Tasche durch Abbau des Solidaritätszuschlags, usw. usw., ist das nichts?

Die SPD wird sich sehr gründlich überlegen müssen, ob sie dies Sondierungsergebnis als Partei ablehnen, ihre eigene Spitze demontieren und Europa in schwieriger Zeit ohne starke Führung lassen will, ohne ein handlungsfähiges Duo von Deutschland und Frankreich.

Meinungsumfragen und Pressekommentare sind in dieser Lage keine verlässliche Grundlage für die Entscheidung. Wie wechselhaft und unzuverlässig sie sind, kann man am besten doch an Gabriel und Schulz studieren: erst war Gabriel der Star. Dann gab es ein intensives Gabriel-Bashing; die Medien stellten ihn als Idiot hin, die SPD wollte ihn nicht mehr. Also musste Gabriel weg und Schulz her. Ein völlig irrationaler Schulz-Hype kochte hoch, leuchtete wie ein kurzes Strohfeuer, und dann: Absturz. Absturz kurz vor der Wahl, schlimmes Wahlergebnis. Und jetzt? Plötzlich ist Gabriel wieder der Publikumsliebling. Gabriel mit traumhaften Umfragewerten, Schulz im Keller.

Die SPD sollte sich hüten, diese Ausschläge in der Mediengunst dazu zu benutzen, den zweiten Spitzenmann in kurzer Zeit zu demontieren. Wählerstimmen gewinnt man nicht durch Personal-Karussell. Erhard Eppler sagt dazu mit 91 Jahren Lebenserfahrung und 62 Jahren SPD-Erfahrung: „Die Sehnsucht in der SPD nach Opposition ist verständlich. Doch ein Nein zur großen Koalition wäre gegen den Geist der Partei.“