Abenteuer beim Finanzamt
Wer einen Nachlass abzuwickeln hat, bekommt es nicht nur mit Telekom und Stromversorger zu tun, sondern auch mit dem Finanzamt. Da kann man immer noch dazulernen, auch wenn man schon Jahrzehnte Bürokratieerfahrung hat. Das Finanzamt Münster ist ja nicht das schnellste, und auch an bemerkenswerten Erfahrungen mangelt es nicht. Aber Burgdorf!
Burgdorf liegt, wie der Name des Ortes ahnen lässt, im ländlichen Niedersachsen. Über Jahre hatte das Finanzamt Burgdorf einen recht guten Ruf in der Familie. Die Steuererklärung für die Familienälteste gab ein Bevollmächtigter online ab per Steuer-Software, und die Antwort ließ nie lange auf sich warten. Auch als es um die neue Grundsteuererklärung und die Zustellung des Grundsteuermessbescheids ging, konnte der Bevollmächtigte alles recht reibungslos klären.
Kurios wurde es erst nach dem Tod der Familienältesten. Der Bevollmächtigte hat eine Vollmacht über den Tod hinaus, die Vollmacht legitimiert ihn auch als Vertreter der Erbengemeinschaft. Als ordentlicher Steuerbürger schrieb er dem Finanzamt, dass die Familienälteste verstorben sei und dass es diesmal etwas länger dauern werde mit der Steuererklärung, weil noch Unterlagen zu beschaffen seien. Einen Monat später gab der Bevollmächtigte online die Steuererklärung ab. Darüber musste das Finanzamt nachdenken, eineinhalb Monate nach Mitteilung des Erbfalls forderte Sachbearbeiterin B. Erbschein und Vollmachtserklärungen aller Erben an.
Nichts einfacher als das, Erbschein und allgemeine Vollmacht der Familienältesten gingen als .pdf per Email ans Finanzamt. Nun kam Leben in Sachbearbeiterin B., zwei Wochen später rief sie den Bevollmächtigten an und forderte viele Unterschriften: Alle sieben im Lande verstreuten Miterben sollten einzeln auf ein und demselben Formular unterschreiben, dass der Bevollmächtigte den Steuerbescheid erhalten dürfe und dass die Erstattung auf das Konto der Erbengemeinschaft (das Konto der verstorbenen Familienältesten) überwiesen werden dürfe. Der Bevollmächtigte beschwor Frau B., sie möge sich die übersandte Vollmacht ansehen; wenn sie sich nicht sicher sei, solle sie doch bitte mit der Rechtsabteilung des Finanzamtes Kontakt aufnehmen. Antwort: Solange nicht die sieben Unterschriften vorlägen, werde die Steuererklärung nicht weiter bearbeitet.
Wurde sie dann aber doch, zwei Wochen später erhielt der Bevollmächtigte „für die Erbengemeinschaft“ den Steuerbescheid, auch die übrigen sechs Miterben erhielten den Bescheid. Und einen Brief und ein Formular bekam der Bevollmächtigte von Sachbearbeiterin H.: „Vollmacht und Bankverbindung der Erben“. Bitte sieben Unterschriften, dass der Bevollmächtigte den Steuerbescheid, den er schon hatte, empfangen darf – der Bevollmächtigte sollte sich sozusagen noch einmal selbst bevollmächtigen. Dazu sollten alle sieben auf ein und demselben Formular die Kontoverbindung unterschreiben.
Ein tiefer Seufzer des Bevollmächtigten. Aber vielleicht geht es ja auch anders? Wegen des vererbten Grundbesitzes mussten alle Miterben sowieso zum Notar – da kann man die Vollmacht und das Konto für die Erstattung gleich mit beurkunden. Schriftlich, mit Siegel des Notars, dass muss doch reichen?
Der Notar war skeptisch, er hat so seine Erfahrungen mit der Finanzverwaltung. Aber es wurde so beurkundet, und der Bevollmächtigte schickte wieder einmal eine Email an das Finanzamt Burgdorf mit .pdf im Anhang. Inhalt: Hier ist der Vertrag, alle haben unterschrieben, die Bestätigung des Notars liegt bei.
Dann passierte wieder nichts. Also nach zwei Wochen Anruf bei Sachbearbeiterin B.: Man habe da eine Email geschickt … Das war schon falsch. An wen man die Email geschickt habe – das Finanzamt gibt nur eine einzige Emailadresse an, die war benutzt worden. Frau B. war (höflich beschrieben) genervt. Immerhin war sie bereit, nach der Email zu suchen und zurückzurufen. Der Rückruf war dann so eindeutig wie immer: „Papier mit sieben Unterschriften vorlegen, sonst gibt’s kein Geld. Auf Emails reagieren wir nicht.“ Der Bevollmächtigte versuchte es noch einmal, ihr klarzumachen, dass es gar kein Papier mit sieben Unterschriften gibt. Es gibt eine Bestätigung des Notars, dass der Vertrag von einem Miterben unterschrieben und von sechs Miterben genehmigt ist, und Originalurkunden gibt man ungern aus der Hand – Frau B. wollte von nichts mehr wissen. „Schicken Sie doch was sie wollen“ war ihr mündlicher Bescheid, dann war das Telefonat zu Ende.
Was macht man, wenn das Amt nicht konstruktiv mitarbeitet? Man knirscht mit den Zähnen und steckt schließlich beglaubigte Ablichtungen vom Notar in einen Umschlag. Kein Formular mit sieben Unterschriften. Ob das wohl Gnade findet? Und man ruft wieder an, diesmal Sachbearbeiterin H.. Ja, das Geld sei jetzt unterwegs. Man fragt nach der Rücksendung der übersandten Unterlagen, ja, die kämen zurück, und zum Schluss gibt’s noch den spöttischen Kommentar „Sie schreiben ja viel“.
Man legt auf, bevor man platzt.
Und die Unterlagen kommen zurück mit einem Anschreiben „die Anlagen übersende ich auf Ihre Anforderung“. Als ob das nicht eine Selbstverständlichkeit wäre, dass man eingereichte Unterlagen zurück bekommt.