Andersen-Lesung im Kulturbahnhof
Aktueller konnte der Text gar nicht sein. 1844 erschien Andersens Kunstmärchen „Die Schneekönigin“. Darin geht es um Erkenntnis: Wie scheiden wir Wahrheit und Lüge voneinander? „Die Lüge ist die Wahrheit“ verkündet Big Brother in Orwells Roman „1984“, erschienen 1949. In der Gegenwart verbreiten sich Geschichtsfälschung und Sprachmanipulation in den „sozialen“ Medien. Sie sind Handwerkszeug der totalitären Systeme.

Andersen wählte die Form des Märchens, Protagonisten sind zwei Kinder. Über fast 200 Jahre haben verschiedene IllustratorInnen ihre Geschichte in Bildern erzählt. Der VorLeseClub zeigte im Kulturbahnhof parallel zur Lesung eine Auswahl in den verschiedensten Stilrichtungen.

Der adventlich geschmückte Kulturbahnhof bot die passende stimmungsvolle Umgebung, in der die projizierten Illustrationen wirkungsvoll zur Geltung kamen.
In diesem Rahmen konnte das Publikum die vielen verschiedenen Facetten des Textes konzentriert verfolgen. Andersen hat in seinen Text viele Herausforderungen eingebaut, denen die Protagonisten in ihrem Reifungsprozess begegnen. Märchentypisch sind sie in einem Blumengarten versteckt, und es zeigt sich: Auch subjektiv Wohlmeinende (Hexen) können übergriffig sein!
Der Rabe als Vogel der Weisheit spielt in diesem Plot eine große Rolle. „Vernünftig, vernünftig“ ist seine Mahnung, und als vernünftiger Vermittler hilft er bei der Suche nach dem richtigen Weg. Aber die Schneekönigin wäre kein Märchen, wenn nicht im entscheidenden Augenblick die Liebe die unauflösbare Frage nach der Ewigkeit beantworten würde.

Und dann haben sie sich am Ende: „Da saßen sie beide, erwachsen und doch Kinder, Kinder im Herzen, und es war Sommer, warmer, gesegneter Sommer.“
Herz-Schmerz? Eine Zuhörerin verabschiedete sich: „Darüber muss ich jetzt erst einmal in Ruhe nachdenken!“
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