Erfolgreiches Online-Angebot des VorLeseClubs wird fortgesetzt
Kultur füllt selten Stadien, auch dem Hiltruper VorLeseClub reichten in der Vergangenheit das Café Klostermann, das Hiltruper Museum, das Welthaus und andere ähnlich große Räume für die Lesungen. Das Vorlesepublikum ist überschaubar. Im Frühjahr 2020 war deshalb die Sorge um so größer: Welche Konsequenzen würde Corona für diesen Teil des Hiltruper Kulturlebens haben? Vorlesen lebt doch eigentlich vom unmittelbaren Kontakt mit den Zuhörern? Der VorLeseClub suchte deshalb nach anderen Wegen, sein vor 15 Jahren gestartetes Angebot auch in Zeiten von Corona-Beschränkungen aufrecht zu erhalten.
Einen Podcast höre er gern, das sei jetzt aktuell – diesen Tipp gab der IT-Spezialist, der die Homepage hiltrup.eu/vorleseclub betreut. Podcast, das war weit weg vom Stöbern in Literatur. Aber einen Versuch war es wert, Technik musste her. Das Internet half, professionelle Podcaster stellen ihre Tipps zur Verfügung. Ein hochwertiges Mikrofon war die Grundlage, um natürliche unverfälschte Sprache aufnehmen zu können. Für Schnitt und weitere Bearbeitung der Aufnahmen reichte das kostenlose Programm Audacity, und als Studio diente ein ehemaliges Kinderzimmer. Viele Textilien im Raum und eine zerklüftete Bücherwand sorgten für gute Akustik. Das professionelle Ohr von Günter Rohkämper-Hegel bestätigte nach der ersten Runde: Ja, qualitativ können die Aufnahmen sich durchaus hören lassen. Als IT-Basis für den Download diente die vorhandene Internetseite. Dem VorLeseClub war es wichtig, das Angebot seiner Audio-Aufnahmen in der eigenen Hand zu behalten und nicht kommerziellen Anbietern wie zum Beispiel Youtube zu überlassen.
Neue Probleme waren bei jüngeren Texten zu bewältigen. Für öffentlich angebotene Audio-Aufnahmen erteilt nicht jeder Verlag ohne weiteres die urheberrechtliche Genehmigung. Häufig liegen diese Rechte bei Hörbuch-Verlagen, oder der Vertrag zwischen Autor und Buchverlag deckt dies Recht nicht ab – oder der Verlag will einfach nicht. Der VorLeseClub musste erfahren, dass neuere Texte mit einigem Bürokratie-Aufwand verbunden sind. Rechteinhaber müssen gefunden werden, auch Verlage befinden sich im Lockdown mit Homeoffice. Aber manchmal hilft auch einfach zähes wiederholtes Nachfragen, bis der Verlag zustimmt und auf ein Honorar verzichtet – Honorare kann der ehrenamtlich arbeitende VorLeseClub nicht zahlen.
Dann wurde es spannend. Würde das Stammpublikum des VorLeseClubs dies Angebot überhaupt annehmen? Der Download-Zähler der Internetseite gab schnell Entwarnung. Die erste Online-Lesung „Frühlingsmomente“ im April 2020 „kam an“. Aber es gab auch Irritationen. Einige Zuhörer waren zunächst überfordert mit den erforderlichen Schritten. Erst die Audio-Datei herunter laden, die Datei speichern und dann mit irgendeinem Mediaplayer abspielen, das war zu kompliziert. Es dauerte, bis der IT-Spezialist den Mediaplayer direkt in die Internetseite integrieren konnte. Die Lösung musste schließlich so aussehen, dass der VorLeseClub sie anschließend auch ohne Spezialisten handhaben konnte.
Zum Jahreswechsel sah die Bilanz gut aus: Der VorLeseClub hatte trotz aller Corona-Beschränkungen jeden Monat eine neue Online-Lesung produziert, und es hatte ausgesprochen Spaß gemacht. Erst hatten sich nur die ganz mutigen VorleserInnen an die Arbeit mit dem Mikrofon herangetraut. Nach kurzem Zuhören waren weitere dazu gestoßen, und die Erfahrung half. Versprecher werden vom Mikrofon zwar gnadenlos dokumentiert, davor fürchtet sich jeder Anfänger, aber sie lassen sich – anders als vor Live-Publikum – korrigieren! Bis zum 30. Dezember stieg die Zahl der Downloads von Audiodateien auf 4236. Die Zugriffe über den Mediaplayer in der Internetseite sind darin nicht enthalten. Wenn der VorLeseClub also von 5000 unsichtbaren Zuhörern spricht, dann ist diese Zahl sicher optimistisch (denn viele hören sich auch mehrere Texte an), aber sie belegt eine respektable Reichweite des Vorlese-Angebots.
Für Januar und Februar 2021 sind bereits zwei Online-Lesungen terminiert, die nächste wird voraussichtlich am 26. Januar online gehen („Der Wolf – Rückkehr auf leisen Pfoten“). Das Programm für die Zeit bis Februar 2022 ist in Vorbereitung. Dutzende von Themen-Ideen werden gesammelt, können auch noch unter vorleseclub@hiltrup.eu vorgeschlagen werden. Anfang Februar stimmen die Mitglieder des VorLeseClubs dann demokratisch ab und wählen die Themen für 2021/2022 aus.
Wenn man die VorleserInnen selbst fragt, worauf sie sich 2021 am meisten freuen, dann wird die Entscheidung schwer sein. Endlich wieder vor Publikum zu stehen – oder sich nach all den digitalen Kontakten wieder von Angesicht zu Angesicht mit den anderen VorleserInnen zu treffen, das ist die Frage. Die Vereinsamung durch das Verbot persönlicher Kontakte trifft alle gleich.