Wismar
(Fortsetzung von 2021: Camping in Deutschland IV)
Wismar kann man gar nicht oft genug besuchen: Nach 1989 war die alte Hansestadt zunächst eine einzige Baustelle, und von Jahr zu Jahr wird sie für Touristen immer anziehender.
Einmal mehr soll sie heute besucht werden, aber wer läuft den Besuchern aus dem Westen erst einmal über den Weg? Ein alter Bekannter, Cowboys mit Spinat und Jürgen von Manger auf einem Plakat.
Der Rundgang beginnt am Alten Hafen, wo das Auto auf einem großen Parkplatz bleiben kann. Was hat sich das hier verändert! Für die Schifffahrt hat der Alte Hafen keine Bedeutung mehr, der Gebäudebestand rund herum wurde und wird umgebaut, hier ist ein neuer schicker Treffpunkt entstanden. Ein paar Krambuden und ein Karussell erinnern ein wenig an die Rummelmeilen, die zumindest vor Jahren die kleinen Örtchen an der polnischen Ostseeküste prägten. Aber das ist hier doch etwas ganz anderes, hier mischt sich Flaniermeile mit schicken Wohnungen, Büros und Gastronomie.
Vor dem Baumhaus, wo früher die Hafenzufahrt mit Kette und Schlagbaum gesichert wurde, stehen Nachbildungen der Schwedenköpfe. Die hölzernen Originale zierten ursprünglich Duckdalben an der Hafeneinfahrt.
Schaut man vom Baumhaus auf den Alten Hafen, kann der Kontrast nicht größer sein. Auf einer Seite erinnert die Poeler Kogge, Nachbau einer Hansekogge, an die Geschichte der Hansestadt, auf der anderen Seite des Hafenbeckens stehen moderne Neubauten.
An den obligatorischen Fischbrötchen vorbei geht es in die Altstadt zur Nikolaikirche. Mächtig, geradezu erdrückend erhebt sich die wenig gegliederte Westfassade.
Wie Spielzeuge wirken gegenüber die niedrigen Häuschen an der Frischen Grube, wo hinter einer Baumreihe der Mühlenbach fließt.
Der Rundgang im Inneren konfrontiert mit dem Baumaterial. Ziegel sind kein edles Material, aus der Nähe betrachtet wirken sie grob.
Alles ist hier Ziegel. Die Wand zur Kinderkapelle erinnert an ein einfaches Bauernhaus, der Ziegelboden ist uneben.
Beinahe aufgesetzt wirkt die Bronzeplatte an der Wand, und dann:
Der Blick geht nach oben, immer höher hinauf, und plötzlich verliert der Backstein seine Grobheit und gewinnt aufstrebende Höhe. „Gewaltig aufstrebend und einheitlich“ nennt Wikipedia diese Raumwirkung, hier stimmt alles!
Dies Gebäude wirkt ohne alle Zutaten aus sich heraus, es ist ein wunderbar gelungener Sakralbau. Das Hochaltarretabel aus der Georgenkirche ist wunderschön, aber: In der südlichen Vorhalle steht es eher unbeachtet, die Nikolaikirche braucht diesen Schmuck nicht.
Welch Kontrast, wenn man die Nikolaikirche verlässt und sich zur Stadt wendet! Bronzene Schweine wälzen sich auf der Schweinsbrücke über den Mühlengraben.
Den Marktplatz muss man natürlich gesehen haben, seine Größe und die historischen Gebäude rundherum zeugen vom Reichtum früherer Jahrhunderte. Der Alte Schwede, ein gotisches Bürgerhaus, stammt aus dem Jahr 1360, und auch die Wasserkunst, die historische Trinkwasserversorgung, hat schon fünf Jahrhunderte auf dem Buckel.
Es ist ein touristischer Hotspot, und Touristen wollen Kaffee trinken. Im schlimmsten Fall bekommen Touristen das, was sie nach Meinung der Gastronomen verdienen… Das Café Hegede sieht diese Besucher jedenfalls nicht wieder.
Nicht weit vom Marktplatz führt der Rundgang zur Marienkirche. 1960 haben die DDR-Behörden das im Krieg beschädigte Kirchenschiff gesprengt. Den Turm hat damals nur gerettet, dass er als Seezeichen benötigt wurde. Den Grundriss des Kirchenschiffs markieren heute niedrige Mauern, dazwischen tummeln sich Nackte:
An anderer Stelle mühen sich noch die bronzenen Tauzieher, die „liegende Sofia“ ruht sich offensichtlich schon aus von der Mühe.
An diesem Tag war es nur ein kurzer Rundgang, eine Wiedersehenstour mit einem Kleinod.
Der Rückweg zum Schweriner See verlockt zu einem kleinen Abstecher. Zu verlockend sieht das Sträßchen aus, und nach einigen Kilometern taucht zur Seite ein Gutshaus auf. Eine Tafel neben dem Tor erklärt: Schloss Hasenwinkel ist jetzt Tagungshotel. Das Tor im Zaun steht offen, das denkmalgeschützte Ensemble ist einen Rundgang wert. Es gehört zum „Qualitätsnaturpark“ Sternberger Seenland – die Zeit reicht nicht für weitere Erkundung, aber hierhin muss man doch noch einmal kommen!
(Fortsetzung: Salzhaff.)