Blumenerde ohne Erde
Ein wenig Natur in die Blumenkästen, wer hat nicht seine Freude daran? Den ganzen Sommer über Grün und Blüten direkt vor dem Fenster, das bringt auch dem Städter ein wenig Verbindung zu den Jahreszeiten. Geranien als robuste Dauerblüher gibt es preiswert überall zu kaufen, und dann – die alte Blumenerde vom Vorjahr ist längst entsorgt, neue Erde muss her.
Ob Baumarkt oder Pflanzencenter, die Auswahl ist groß: Noname lockt mit dem Niedrigpreis, bekannte Marken versprechen Blühwunder ohne Ende, die Hausmarke verspricht den vernünftigen Kompromiss. Dann fällt einem ein: All diese Blumenerde hat weder mit Erde etwas zu tun noch mit Natur.
Mutterboden, wie wir ihn auf dem Acker sehen, ist viel zu kostbar, um ihn in großen Mengen in Säcke zu füllen und zu verkaufen. Wo sollte dann auch neuer Mutterboden herkommen? Also wird ein Ersatz in die Tüten und Säcke gefüllt, und der hat es in sich. Denn er besteht zu großen Teilen aus Torf. Ein natürlicher nachwachsender Rohstoff – nur wächst ein Torfmoor, wenn es überhaupt noch lebende Torfmoore gibt, so langsam, dass es unseren Blumenerde-Bedarf überhaupt nicht decken kann. Raubbau ist die Folge, Moore werden schon lange ausgetrocknet und der Torf abgebaut.
Für Balkoniens Blumenerde wird der Torf noch ein wenig gestreckt. Mal wird Perlite zugesetzt, kleine weiße Partikel: ein vulkanisches Material, das unter Energieeinsatz erhitzt und dadurch aufgebläht wird. In anderen Tüten finden wir Styropor-Kügelchen als Beimischung, auch nicht gerade die reine Natur.
Also was tun? Irgendwas müssen die Geranien schließlich auf die Füße bekommen. Wer lange genug sucht, findet Alternativen im Angebot. „Universalerde“, „umweltschonend“, „torffrei“, „Bio“ steht auf der Tüte: Einen Versuch ist es wert.
Wer dies Material in die Hand nimmt, um es zu Hause in die Blumenkästen zu füllen, stellt schnell fest: Erde, also ein Gemisch von Sand oder Lehm und Humus, das ist auch hier nicht zu finden. Es ist ein faseriges, ziemlich grobes Material: offensichtlich zerkleinerte Grünabfälle mit durchaus größeren Stücken dazwischen, vielleicht kurze Zeit kompostiert. Greift man mit bloßen Händen hinein, erlebt man die Inhaltsstoffe hautnah: au, dieser lange Stachel im Finger stammt doch wohl mit einiger Sicherheit vom Feuerdorn, einem sehr stacheligen und harten Gebüsch.
Der erste Eindruck nach dem Pflanzen und Angießen: Das Material ist nicht so saugfähig wie die Standard-Torf-Blumenerde. Wo der Torf anstandslos große Mengen Wasser in sich aufnimmt und speichert, lässt die Bio-Erde das Wasser schnell durchlaufen. Kein Problem, wenn die Blumenkästen aus Plastik sind und ein Wasser-Reservoir haben, aus dem fortlaufend Wasser an die Pflanzen abgegeben wird; durchaus ein Problem, wenn die Pflanzen in einfachen Tontöpfen mit Loch im Boden stehen. Wer will schon eine dunkle Spur von Blumen-Gießwasser an der Fassade herunterlaufen sehen? Und hier muss anders als bei den Reservoir-Kästen täglich gegossen werden, eben weil nur wenig Wasser gebunden wird.
Die Sommersaison 2018 wird zeigen, wie die Geranien mit dieser Grundlage zurechtkommen.
Eins ist allerdings jetzt schon klar: Raucher kommen nicht gut zurecht mit Blumenerde, egal von welchem Hersteller. Erst gießen, dann rauchen, sonst kommt die Feuerwehr!
Hat man die ersten Kästen mit diesem Material bepflanzt, kommt man ans Experimentieren. Wie wäre es, wenn man diese „Erde“ selber ein wenig verbessert? Aus dem Garten – wenn man denn einen hat – eine ordentliche Schippe sandigen Boden dazwischen, dazu ein wenig Bentonit und Oscorna, das ganze ordentlich vermischt und ran an die Fuchsie, die in einen größeren Topf umgetopft werden muss. Bentonit läuft als „Bodenverbesserer“ und erhöht die Fähigkeit, Wasser zu binden; Oscorna liefert als organischer Dünger die Kraft, damit die Fuchsie nach der Winterpause durchstartet. Auch hier gilt: Die Sommersaison wird zeigen, ob das funktioniert – aber es ist eindeutig aufwendiger, als wenn man die klassische Torf-Blumenerde verwendet. Und man darf nicht empfindlich sein. Der nachgekaufte Sack Universalerde ohne Torf hatte im Baumarkt in der Sonne gelegen: Bestialischer Gestank kam aus der Tüte und klebte sofort an den Fingern. Also durchaus ein lebendiges Material, anders als der sterile Torf. Gewöhnungsbedürftig, doch kein großes Problem, nach dem Befüllen des Balkonkastens war Schluss mit dem Gestank.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 26.5.2018.)