Hiltrup im Übergang von der Agrarwirtschaft zu Industrie und Dienstleistung
Die Familie Hanses leitet ihre Herkunft von Hamburger Patrizierfamilien des 16. Jahrhunderts ab. Im 19. Jahrhundert war sie im Sauerland ansässig, Josef Hanses-Ketteler gründete 1852 in Rinseke bei Oberhundem Forstbaumschulen. Zwei seiner Brüder wanderten in die USA aus und gründeten dort die Baumschulen „Hanses Brothers“.
Sohn Franz-Anton Hanses-Ketteler (1871-1937) kam 1891 nach Hiltrup und erwarb in der Nähe des Bahnhofs einen rund 50 Morgen großen Teil des Konsul Schencking’schen Gutes Hülsebrock. Hier gründete er eine Forstbaumschule. An der Bahnhofstraße 88 (heute: Marktallee / Ecke Glasuritstraße) baute er ab 1891 Wohn- und Wirtschaftsgebäude und vergrößerte sie nach und nach.
Der Hiltruper Bahnhof war um diese Zeit ein vergleichsweise bescheidenes Gebäude. Es wurde wenige Jahre später durch einen Neubau ersetzt (1907).
1899 heiratete Franz-Anton Hanses-Ketteler Maria Neuhaus (1871-1957).
Mit den neuen Forstbaumschulanlagen in Hiltrup wurden gleichzeitig größere Obstbaum- und Gehölzschulen eingerichtet, so dass die Anlagen schon in wenigen Jahren eine Ausdehnung von über 200 Morgen erreichten. Die Gruppenaufnahme von 1903 zeigt eine Belegschaft von 54 Personen.
Die Postkarte von 1905 zeigt links noch das alte kleine Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1868. Das gesamte Gelände westlich der Eisenbahn und südlich der Bahnhofstraße (heute: Marktallee) ist mit Baumkulturen besetzt. Das Wohnhaus der Hanses-Ketteler an der Bahnhofstraße ist Teil eines großen Wirtschaftskomplexes mit Gewerbe- und Wohnraum.
Familie Hanses versuchte, die Entwicklung des Ortskerns zu beeinflussen. 1907 kündigen sie Pfarrer Unckel eine Spende von 2000 Mark für den Neubau von St. Clemens an, in ihrem Kontobuch vermerken sie: „Gleichzeitig wurde demselben am heutigen Tage gesagt, daß der Betrag von 2000.- Mark auf 6000,- Mark erhöht werden solle, wenn die neue Kirche auf die Höhe der sogenannten Siebenstücke erbaut würde.“
1908 wurde das Wohnhaus Hanses-Ketteler (links) an der Ostseite mit Erker und Veranda versehen. Gegenüber stand die Villa der Unternehmerfamilie Dalhoff. Dalhoff hatte 1905 die Kunststein-, Mosaik- und Terrazzo-Fabrik F. M. Dalhoff eröffnet („Cementfabrik F.M. Dalhoff, Herstellung von Zementwaren, Zementrohren, Kunststeinen, Marmor- und Mosaikplatten, Trottoirplatten, Steinmehle und Betonwaren“, verbunden mit einem Baustoffgroßhandel mit Bahnanschluss und eigenem Kanal-Frachthafen).
1910 vergrößerte Hanses die Firma mit dem Kauf mehrerer Bauernhöfe in Sprakel. Diesen Teil des Betriebes führte der Schwiegersohn Josef Koering weiter.
Anfang 1911 – die Entscheidung über den Standort des Neubaus von St. Clemens war immer noch sehr umstritten – ist im Kontobuch der Hanses vermerkt: „Gemäß Vereinbarung mit Herrn Pfarrer Unckel hier sollen die noch zu zahlenden 3000 Mark für Anschaffung eines Muttergottesaltars verwendet werden, welcher nach unseren näheren Angaben herzustellen sein würde.-“
Die Postkarte aus dem Jahr 1921 zeigt eine zusätzliche Erweiterung des Wohnhauses Hanses-Ketteler: An die Stelle von Erker und Veranda ist ein massiver Anbau an der Ostseite getreten mit einem angedeuteten Türmchen.
Franz-Anton Hanses-Ketteler starb 1937, seine Ehefrau Maria Hanses-Ketteler, geb. Neuhaus 1957. Ihre vierte Tochter Antoinette Epping (1906-2003) bewohnte danach allein das Haus an der Bahnhofstraße in Hiltrup. Sie verwaltete den Gebäudekomplex, in dem nach Aufgabe des Baumschul-Betriebes eine Vielzahl von Wohnungen und Gewerberäumen vermietet war. Auf den ehemaligen Baumschul-Flächen entstand Wohnbebauung, zum Beispiel 1962 an der Finkenstraße (heute: Max-Winkelmann-Straße) mehrere Wohnblöcke für englische Soldaten.
Um 1975 nahm die Stadt Münster östlich des Hauses Hanses-Ketteler einen Grundstücksstreifen in Anspruch für den Neubau der Glasuritstraße.
Der Gebäudekomplex der ehemaligen Baumschule Hanses-Ketteler wurde durch den Bau der Glasuritstraße zum Eckgrundstück.
Heute steht an dieser Stelle ein Neubau mit Gewerbeflächen und Wohnungen.
Was ist aus den Hanses-Ketteler geworden:
Franz-Anton und Maria Hanses-Ketteler hatten sechs Töchter:
• Hedwig (1900-1994) heiratete 1922 den Gutsbesitzer Bernhard Schulze Buschhoff in Handorf. • Walburga (1901-1969) heiratete 1923 die „nachbarliche Jugendliebe“, den Hiltruper Kaufmann Albert Dalhoff. Die „Cementfabrik F.M. Dalhoff, Herstellung von Zementwaren, Zementrohren, Kunststeinen, Marmor- und Mosaikplatten, Trottoirplatten, Steinmehle und Betonwaren“ war verbunden mit einem Baustoffgroßhandel 1905 eröffnet worden, die Villa Dalhoff (später „Wildsau“) stand gegenüber dem Haus Hanses-Ketteler an der Bahnhofstraße. • Marietta (1903-1995) heiratete den Gutsbesitzer Josef Koering, der in Sprakel die 1910 von Franz-Anton Hanses-Ketteler geschaffene Baumschule fortführte. • Antoinette (1906-2003) heiratete 1941 den Wald- und Brennereibesitzer Karl Epping-Ernsting aus Rheine. Als Witwe bewohnte sie das Anwesen in Hiltrup. • Friedel (geb. 1909) heiratete 1935 den Rechtsanwalt und Notar Dr. Fritz Wehberg in Osnabrück. • Irmingard (geb. 1912) heiratete 1931 den Unversitätsdozenten (und späteren Rektor der Universität Köln) Dr. Karl-Gustav Fellerer.(Quellen: Hiltruper Museum; Hedwig Schulze Buschhoff, Die sechs Töchter, 1977; eigene Fotos. Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 12.03.2023.)