Hanses-Ketteler in Hiltrup

Franz Anton Hanses-Ketteler, Inhaber der Forstbaumschulen Gebr. Hanses, HIltrup i. Wf., beidseits des Kanals in Hiltrup (1892; Foto: Hiltruper Museum)
Franz Anton Hanses-Ketteler, Inhaber der Forstbaumschulen Gebr. Hanses, HIltrup i. Wf., beidseits des Kanals in Hiltrup (1892; Foto: Hiltruper Museum)

Hiltrup im Übergang von der Agrarwirtschaft zu Industrie und Dienstleistung

Die Familie Hanses leitet ihre Herkunft von Hamburger Patrizierfamilien des 16. Jahrhunderts ab. Im 19. Jahrhundert war sie im Sauerland ansässig, Josef Hanses-Ketteler gründete 1852 in Rinseke bei Oberhundem Forstbaumschulen. Zwei seiner Brüder wanderten in die USA aus und gründeten dort die Baumschulen „Hanses Brothers“.

Sohn Franz-Anton Hanses-Ketteler (1871-1937) kam 1891 nach Hiltrup und erwarb in der Nähe des Bahnhofs von Konsul Schencking einen rund 50 Morgen großen Teil seines Gutes Hülsebrock. Hier gründete er eine Forstbaumschule. An der Bahnhofstraße 88 (heute: Marktallee / Ecke Glasuritstraße) baute er ab 1891 Wohn- und Wirtschaftsgebäude und vergrößerte sie nach und nach.

1898: Der Hiltruper Bahnhof feiert 30. Jubiläum (Foto: Hiltruper Museum)

1898: Der Hiltruper Bahnhof feiert 30. Jubiläum (Foto: Hiltruper Museum)

Der Hiltruper Bahnhof war um diese Zeit ein vergleichsweise bescheidenes Gebäude. Es wurde wenige Jahre später durch einen Neubau ersetzt (1907).

Belegschaft Firma Hanses in Hiltrup (um 1900; Foto: Hiltruper Museum)

Belegschaft Firma Hanses in Hiltrup (um 1900; Foto: Hiltruper Museum)

1899 heiratete Franz-Anton Hanses-Ketteler Maria Neuhaus (1871-1957). Der Betrieb war im Aufbau: Das historische Foto der Belegschaft zeigt im Vordergrund 1 Vorarbeiter (mit Krawatte), dahinter 8 Arbeiter, 2 Frauen und 8 zum Teil noch recht kleine Kinder. Franz Anton Hanses ist mit einem Pfeil markiert.

“Personal der Firma Gebr. Hanses in Hiltrup i.W.“ (1903; Foto: Hiltruper Museum)

“Personal der Firma Gebr. Hanses in Hiltrup i.W.“ (1903; Foto: Hiltruper Museum)

Mit den neuen Forstbaumschulanlagen in Hiltrup wurden gleichzeitig größere Obstbaum- und Gehölzschulen eingerichtet, so dass die Anlagen schon in wenigen Jahren eine Ausdehnung von über 300 Morgen erreichten. Die Gruppenaufnahme von 1903 zeigt eine Belegschaft von 53 Personen, davon einige Holländer. Auf diesem offiziellen Foto, das auch als Postkarte verwendet wurde, waren die kleineren Kinder nicht zugelassen. Ganz links durfte auch der Briefträger mit geöffneter Postmappe und Briefen in der Hand mit aufs Bild.

Hanses baute für seine Arbeiter an der Finkenstraße (heute: Max-Winkelmann-Straße) Wohnhäuser, sie wurden um 1978 abgebrochen und durch Reihenhäuser ersetzt (Hausnummern 36 bis 44).

Das „Erste deutsche Forstkulturgeschäft von Gebr. Hanses“ südwestlich des Hiltruper Bahnhofs (1905, Rechnungsformular-Ausschnitt; Hiltruper Museum)

Das „Erste deutsche Forstkulturgeschäft von Gebr. Hanses“ südwestlich des Hiltruper Bahnhofs (1905, Rechnungsformular-Ausschnitt; Hiltruper Museum)

Der Kopf des Rechnungsformulars von 1905 zeigt links noch das alte kleine Bahnhofsgebäude aus dem Jahr 1868. Das gesamte Gelände westlich der Eisenbahn und südlich der Bahnhofstraße (heute: Marktallee) ist mit Baumkulturen besetzt. Das Wohnhaus der Hanses-Ketteler an der Bahnhofstraße ist Teil eines großen Wirtschaftskomplexes mit Gewerbe- und Wohnraum.

Familie Hanses versuchte, die Entwicklung des Ortskerns zu beeinflussen. 1907 kündigten sie Pfarrer Unckel eine Spende von 2000 Mark für den Neubau von St. Clemens an, in ihrem Kontobuch vermerken sie: „Gleichzeitig wurde demselben am heutigen Tage gesagt, daß der Betrag von 2000.- Mark auf 6000,- Mark erhöht werden solle, wenn die neue Kirche auf die Höhe der sogenannten Siebenstücke erbaut würde.“

Unternehmer-Wohnhäuser an der Hiltruper Bahnhofstraße: Links Hanses-Ketteler, rechts Dalhoff (später „Wildsau“; historische Postkarte von 1909)

Unternehmer-Wohnhäuser an der Hiltruper Bahnhofstraße: Links Hanses-Ketteler, rechts Dalhoff (später „Wildsau“; historische Postkarte von 1909)

1908 wurde das Wohnhaus Hanses-Ketteler (links) an der Ostseite mit Erker und Veranda versehen. Gegenüber stand die Villa der Unternehmerfamilie Dalhoff. Franz-Mauritz Dalhoff hatte 1905 die Kunststein-, Mosaik- und Terrazzo-Fabrik F. M. Dalhoff eröffnet („Cementfabrik F.M. Dalhoff, Herstellung von Zementwaren, Zementrohren, Kunststeinen, Marmor- und Mosaikplatten, Trottoirplatten, Steinmehle und Betonwaren“, verbunden mit einem Baustoffgroßhandel mit Bahnanschluss und eigenem Kanal-Frachthafen).

1910 vergrößerte Hanses die Firma mit dem Kauf mehrerer Bauernhöfe in Sprakel. Diesen Teil des Betriebes führte später der Schwiegersohn Josef Koering weiter.

Anfang 1911 – die Entscheidung über den Standort des Neubaus von St. Clemens war immer noch sehr umstritten – ist im Kontobuch der Hanses vermerkt: „Gemäß Vereinbarung mit Herrn Pfarrer Unckel hier sollen die noch zu zahlenden 3000 Mark für Anschaffung eines Muttergottesaltars verwendet werden, welcher nach unseren näheren Angaben herzustellen sein würde.-“

Wohnhaus Hanses-Ketteler an der Hiltruper Bahnhofstraße (um 1925; Foto: Hiltruper Museum)

Wohnhaus Hanses-Ketteler an der Hiltruper Bahnhofstraße (um 1925; Foto: Hiltruper Museum)

Das Foto um 1925 zeigt eine zusätzliche Erweiterung des Wohnhauses Hanses-Ketteler: An die Stelle von Erker und Veranda ist 1921 ein massiver Anbau an der Ostseite getreten mit einem angedeuteten Türmchen.

Die Hanses-Töchter im Opel Laubfrosch: Irmingard am Steuer, daneben Antoinette (1925; Foto: Hiltruper Museum)

Die Hanses-Töchter im Opel Laubfrosch: Irmingard am Steuer, daneben Antoinette (1925; Foto: Hiltruper Museum)

Die Firma Hanses florierte, die Hanses-Töchter präsentierten sich 1925 im offenen Opel Laubfrosch (Produktionszeitraum 1924-1931).

Arbeitskarte des ukrainischen "Ostarbeiters" Chmilewski, 1943 eingesetzt in der Hiltruper Gärtnerei Gebrüder Hanses (11.12.1943; Hiltruper Museum)

Arbeitskarte des „Ostarbeiters“ Chmilewski, 1943 eingesetzt in der Hiltruper Gärtnerei Gebrüder Hanses (11.12.1943; Hiltruper Museum)

In der Hiltruper Gärtnerei Gebrüder Hanses waren im Jahr 1943 etwa 40 Russinnen und Russen zum Hacken und Unkrautjäten eingesetzt, darunter der „Ostarbeiter“ Nikolai Chmilewski. Er stammte aus Mykolajiw (russisch: Nikolajew) in der Ukraine und war offensichtlich 1943 im Alter von 46 Jahren nach Deutschland verschleppt worden. Die frühere Wirtschafterin im Haushalt Hanses erinnert sich (WN vom 18.11.2000): „Es war furchtbar. Die russischen Frauen hatten ihre Babys am Rand des Feldes auf die Erde gelegt. Wie Skelette sahen sie aus. Und die Frauen hatten die Babys in Säcke gepackt, um sie ein bisschen gegen die herbstliche Kälte zu schützen.“

Franz-Anton Hanses-Ketteler starb 1937, seine Ehefrau Maria Hanses-Ketteler, geb. Neuhaus 1957. Ihre vierte Tochter Antoinette Epping (1906-2003) bewohnte danach allein das Haus an der Bahnhofstraße in Hiltrup. Sie verwaltete den Gebäudekomplex, in dem nach Aufgabe des Baumschul-Betriebes um 1960 eine Vielzahl von Wohnungen und Gewerberäumen vermietet war. Auf den ehemaligen Baumschul-Flächen entstand Wohnbebauung, zum Beispiel 1962 an der Finkenstraße (heute: Max-Winkelmann-Straße) mehrere Wohnblöcke für englische Soldaten.

Der Gebäudekomplex Hanses-Ketteler um 1970 vor dem Bau der Glasuritstraße

Der Gebäudekomplex Hanses-Ketteler um 1970 vor dem Bau der Glasuritstraße

Um 1975 nahm die Stadt Münster östlich des Hauses Hanses-Ketteler einen Grundstücksstreifen in Anspruch für den Neubau der Glasuritstraße.

Der Gebäudekomplex Hanses-Ketteler an der Glasuritstraße in Hiltrup, von Südosten gesehen (um 1985; Foto: Henning Klare)

Der Gebäudekomplex Hanses-Ketteler an der Glasuritstraße in Hiltrup, von Südosten gesehen (um 1985; Foto: Henning Klare)

Der Gebäudekomplex der ehemaligen Baumschule Hanses-Ketteler wurde durch den Bau der Glasuritstraße zum Eckgrundstück.

Die alten Gebäude von Hanses-Ketteler sind abgebrochen, ein großer Neubau beherrscht die Ansicht (Foto: 1.11.2017, Henning Klare)

Die alten Gebäude von Hanses-Ketteler sind abgebrochen, ein großer Neubau beherrscht die Ansicht (Foto: 1.11.2017, Henning Klare)

Heute steht an dieser Stelle ein Neubau mit Gewerbeflächen und Wohnungen.

Was ist aus den Hanses-Ketteler geworden:

Franz-Anton und Maria Hanses-Ketteler hatten sechs Töchter:

  • Hedwig (1900-1994) heiratete 1922 den Gutsbesitzer Bernhard Schulze Buschhoff in Handorf. Sie hatte als Volontärin in einer Baumschule in Erfurt gearbeitet und führte 1925 auf dem „Busch-Hof“ des Mannes in Handorf den Baumschulbetrieb ein, später Weiterentwicklung zum Gartencenter Münsterland.
  • Walburga (1901-1969) heiratete 1923 die „nachbarliche Jugendliebe“, den Hiltruper Kaufmann Albert Dalhoff. Franz-Mauritz Dalhoff hatte 1905 die „Cementfabrik F.M. Dalhoff, Herstellung von Zementwaren, Zementrohren, Kunststeinen, Marmor- und Mosaikplatten, Trottoirplatten, Steinmehle und Betonwaren“ am Bahnhof gegründet verbunden mit einem Baustoffgroßhandel. Die Villa Dalhoff (später „Wildsau“) stand gegenüber dem Haus Hanses-Ketteler an der Bahnhofstraße. Die Firma musste im I. Weltkrieg einem Munitionslager weichen, Dalhoffs Söhne Heinrich und Hermann führten den Baustoffhandel an der Bahnhofstraße fort. Heinrich heiratete eine Schencking, Albert war ihr Sohn.
  • Marietta (1903-1995) heiratete den Gutsbesitzer Josef Koering, der in Sprakel die 1910 von Franz-Anton Hanses-Ketteler geschaffene Baumschule fortführte.
  • Antoinette (1906-2003) heiratete 1941 den Wald- und Brennereibesitzer Karl Epping-Ernsting aus Rheine. Als Witwe bewohnte sie das Anwesen in Hiltrup.
  • Friedel (geb. 1909) heiratete 1935 den Rechtsanwalt und Notar Dr. Fritz Wehberg in Osnabrück.
  • Irmingard (geb. 1912) heiratete 1931 den Unversitätsdozenten (und späteren Rektor der Universität Köln) Dr. Karl-Gustav Fellerer.

(Quellen: Hiltruper Museum; Hedwig Schulze Buschhoff, Die sechs Töchter, 1977; eigene Fotos. Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 06.02.2024.)