Musikkapelle Schwarz-Rot-Gold / Stiege-Wald-Kapelle

Johann Hüls mit seiner Frau Anna. Dahinter die sozialdemokratischen "Kostgänger" (v.l.) Erich Bohn, Peter Finke, Max Richmann, Jan Kannscheid, Franz Skibar, Franz Schepplick, Andreas Bottke (Foto: 1929)
Johann Hüls mit seiner Frau Anna. Dahinter die sozialdemokratischen "Kostgänger" (v.l.) Erich Bohn, Peter Finke, Max Richmann, Jan Kannscheid, Franz Skibar, Franz Schepplick, Andreas Bottke (Foto: 1929)

Musik für die Republik

Johann Hüls (1873-1950) aus Rinkerode kam nach dem ersten Weltkrieg nach Hiltrup und entwickelte vielfältige Aktivitäten. Er war ab 1924 erster Vorsitzender der Hiltruper Ortsgruppe des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (siehe auch Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold 1924-1933).

Aufruf zum Eintritt ins Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (um 1924; © Deutsches Historisches Museum)

Aufruf zum Eintritt ins Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (um 1924; © Deutsches Historisches Museum)

Das Reichsbanner war 1924 auf Initiative einiger Sozialdemokraten gegründet worden als überparteilicher Veteranen- und Wehrverband, getragen von den drei Parteien SPD, DDP und Zentrum. Zweck war der Schutz der Weimarer Republik gegen ihre radikalen Feinde.

Hüls war 1925 bis 1932 Vorsitzender der Hiltruper SPD, er war auch Gründer und Vorsitzender einer Gewerkschaft im Hiltruper Röhrenwerk.

1925 gründete Hüls die Hiltruper Musikkapelle Schwarz-Rot-Gold. 1929 wurde Hüls in den Gemeinderat gewählt, 1931 rückte er als Nachfolger für den ausscheidenden Gustav Monien in den Kreistag.

Im Mai 1925 berichtet Hüls bei einer Kreisversammlung des Reichsbanner Münster „über ein gutes Vorangehen in seiner Ortsgruppe, die jetzt auch über eine Musikkapelle verfüge und überall da, wo es angebracht sei, kräftig mitwir[ken] werde“. Die Zeitung „Das Reichsbanner“ berichtet unter Heerschau im Münsterland am 1.2.1926 über ein Treffen der Reichsbanner-Gruppen im Münsterland; von 1924 bis 1926 waren 24 Ortsgruppen gegründet worden: „Kamerad Hüls (Hiltrup) schildert die Arbeit seiner Gruppe und freut sich, sagen zu können, daß es weiter bergauf geht.“ Von „vorzüglichen Leistungen der Hiltruper Arbeiterkapelle“ berichtet der Volkswille am 6.2.1926.

Der Name der Musikkapelle berief sich auf die Reichsfarben der Weimarer Republik und auf den politischen Wehrverband Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Auch ein Zusammenhang mit anderen sozialdemokratischen Aktivitäten des Kultur-Kartells der modernen Arbeiterbewegung ist denkbar, das in den 1920er Jahren zum Beispiel mit Theateraufführungen und öffentlichen Aktionen in Frankfurt a.M. aktiv war.

Das Reichsbanner hatte in vielen Orten Kapellen. So berichtet die Zeitung „Das Reichsbanner“ in der Ausgabe vom 4.1.1930 über eine Kundgebung in Dortmund: „… Klingendes Spiel und wehende Fahnen. Reichsbanner marschiert. Eine große Kundgebung gegen den Faschismus am Fredenbaum. Das Musikkorps des Reichsbanners konzertiert. Dann begrüßt der Gauvorsitzende des Reichsbanners, Gau Westliches Westfalen, die Versammelten und die beiden Redner des Abends…“.

Hiltruper Musikkapelle "Schwarz-Rot-Gold". Hinten v.l.: Willi Israel, Bernhard Muckenbeck, Paul Mai, Antom Tümmers, Hermann Stein, Fritz Klein, Felix Frechwisks, Erdmann Kannscheid; Mitte: Bernhard Mai, Josef Schlatmann, Kapellmeister Paul Schmidt, Johann

Hiltruper Musikkapelle "Schwarz-Rot-Gold". Hinten v.l.: Willi Israel, Bernhard Muckenbeck, Paul Mai, Antom Tümmers, Hermann Stein, Fritz Klein, Felix Frechwisks, Erdmann Kannscheid; Mitte: Bernhard Mai, Josef Schlatmann, Kapellmeister Paul Schmidt, Johann Hüls, Jos. Mühlenkamp, Fronaz Kortenkämper; Vorn: David Müller, Th. Zurheiden (um 1929; Foto: Hiltruper Museum)

Hüls konnte 16 Männer für seine Idee begeistern. Sie kauften die Instrumente selbst, die Probeabende fanden jeden Dienstagabend in der alten Gaststätte Heithorn an der Hammer Straße (heute: Westfalenstraße) statt. Kapellmeister Paul Schmidt aus Münster war der Ausbilder. 1926 hatte die Kapelle 15 Mitglieder. Sie zahlten für jeden Probeabend 5 Mark, später 10 Mark Beitrag. Bereits 1929 verfügte die Gruppe über ein umfangreiches Repertoire, seitdem spielte sie beim Hiltruper Schützenfest auf.

Hiltruper Musikkapelle "Schwarz-Rot-Gold" 1930 in Frankfurt: v.l. NN, Jos. Mühlenkamp, NN, Franz Kortenkämper, Paul Mai, NN, Th. Zurheiden; vorn v.l. David Müller, NN (1930; Foto: Hiltruper Museum)

Hiltruper Musikkapelle "Schwarz-Rot-Gold" 1930 in Frankfurt: v.l. NN, Jos. Mühlenkamp, NN, Franz Kortenkämper, Paul Mai, NN, Th. Zurheiden; vorn v.l. David Müller, NN (1930; Foto: Hiltruper Museum)

Das Foto von 1930 zeigt die Gruppe bei einem Auftritt in Frankfurt, möglicherweise bei der 1. Mai-Feier .

Für Johann Hüls wurde es angesichts der immer mehr an Macht gewinnenden NSDAP bereits 1932 in Hiltrup zu gefährlich, er setzte sich mit seiner Familie nach Schlesien ab und „tauchte dort unter“. Am 11.1.1933 hieß es in der Sitzung des Kreistags nur „Der Kreistagsabgeordnete Hüls, Hiltrup (SPD), ist ausgeschieden durch Ansiedlung im Osten.“ In den folgenden Jahren verließen auch andere Mitglieder die Gruppe. Als 1938 die Mitgliederzahl stark gesunken war, schlossen sich die verbliebenen Mitglieder mit der Amelsbürener „Stiege-Wald-Kapelle“ zusammen.

Stiege-Wald-Kapelle und Schützenverein (Amelsbüren, um 1950; Foto: Hiltruper Museum)

Stiege-Wald-Kapelle und Schützenverein (Amelsbüren, um 1950; Foto: Hiltruper Museum)

Die „Stiege-Wald-Kapelle“ bestand seit 1920 und hatte Mitglieder aus Amelsbüren und aus Hiltrup. Sie wurde wahrscheinlich nach der Stiege benannt, die durch den damals vorhandenen Wald zur 1. Kanalbrücke Richtung Hiltrup führte; die Musiker wohnten in unmittelbarer Nähe. Gespielt und geprobt wurde in der Stammkneipe Wienke / Ecke Dornbusch in Amelsbüren. Nach dem II. Weltkrieg tauchte der Name „Stiege-Wald-Kapelle“ erstmalig beim 1. Schützenfest 1952 in der „Dicken Eiche“ in Hiltrup-Ost wieder auf.

2004 wurde die Kapelle in Hiltrup neu gegründet unter dem Namen „Neue Stiege-Wald-Kapelle“. Sie spielte bei Schützenfesten, Maifesten, Frühschoppen und Familienfesten.

Johann Hüls kehrte nach dem Krieg nach Hiltrup zurück. Zusammen mit seiner Frau Anna gehörte er zu den Sozialdemokraten der ersten Stunde, als Rudolf Schmitz am 1. Oktober 1945 zur konstituierenden Sitzung der wieder begründeten Hiltruper SPD in seine Wohnung an der Münsterstraße (heute Hohe Geest) einlud.

(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 22.07.2024.)