Klosterschüler von 1916 -1918 in Hiltrup

Mit der Stürzkarre zum Kloster
Mit der Stürzkarre zum Kloster

Hermann Dierksmeier (1906 -1996) berichtet von seiner Zeit als Schüler bei den Hiltruper Missionaren:

Eines Tages im Jahre 1916 fuhr eine Stürzkarre an unserem Haus an der Hammer Straße vorbei. Mein Freund Hermes von der Augustastraße saß mit Koffern und Kisten auf dem Wagen und wurde von seinen Eltern nach Hiltrup zu den Patres gebracht.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Da bin ich gleich mitgefahren und habe mich angemeldet.

Eingang zum Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Eingang zum Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Meine Eltern waren erstaunt, als sie meinen Entschluß hörten, Missionar werden zu wollen, aber sie hinderten mich nicht und sorgten für eine komplette Aussteuer: Leinenbettzeug, Handtücher, Oberbett, Kopfkissen, Besteck, Kleidung, hohe Schnürschuhe und ein Serviettenring Nr. 134. Alle Sachen wurden in Stroh- und Holzkoffern verpackt und nach Hiltrup befördert.

Ich habe mich dort als Zehnjähriger sofort sehr wohl gefühlt. Weder am Sonntag noch in den Ferien fuhren wir nach Hause. Meine Eltern besuchten mich einmal im Monat. Wir lebten sehr geborgen in der Gemeinschaft mit den Patres. Nein, Heimweh habe ich niemals gehabt. Meine Mitschüler kamen aus ganz Deutschland.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Blick in die Anlagen (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Blick in die Anlagen (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Wir lebten dort in einer ländlichen Idylle. Der weite Park und das wilde Gelände ringsum bot viele Möglichkeiten zum Spielen und Toben.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Blick in die Anlagen (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Spielanlagen im Wald (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Wir hatten viele Sportgeräte, spielten Boccia und Kegel.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Turnhalle (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Turnhalle (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Und die große Turnhalle war eine große Attraktion.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Studiersaal der Zöglinge (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Studiersaal der Zöglinge (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

In der Schule wurde – auch nachmittags fleißig gearbeitet, abends studiert und gelesen.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Gärtner und Zöglinge (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Gärtner und Zöglinge (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

In den Freizeiten halfen wir den Brüdern in Ställen, Werkstätten und im Garten – so wie es uns Spaß machte. Im Jahre 1917 mußten wir wochenlang Laub sammeln als Pferdefutter für die Front. Jeder jüngere Schüler hatte einen älteren als „Schutzengel“, der für ihn auch gewisse Verantwortung trug. Sonntagsabends wurden von allen Schülern alle schulischen Zensuren in der Halle bekanntgegeben. Das war nicht immer angenehm.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Blick in den Speisesaal der Zöglinge (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Blick in den Speisesaal der Zöglinge (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Bei den Mahlzeiten wurde strenges Stillschweigen verlangt. Einer las aus irgendeinem Buch vor. Ich mußte einmal vom Podest im Speisezimmer aus die Biene Maja vortragen.

Das Haus war sehr groß. In einem Trakt lagen mehrere Zimmer nebeneinander, in denen Patres lautstark die Rhetorik für ihre Missionspredigten einübten.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Haupteingang mit Museum (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Haupteingang mit Museum (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Auf dem Weg zum Schlafsaal beeindruckten mich die großen Glasschränke mit den Exponaten aus Neuguinea. Die exotischen Vögel und Waffen und Stammeszeichen faszinierten mich. Die Sammlung war großartig (Der Orden hat die Sammlung später verkauft).

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Schlafsaal der Zöglinge (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Schlafsaal der Zöglinge (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Wir Schüler schliefen in drei großen Schlafsälen in kleinen Kabinen, in dem sich das Bett und ein Schrank befanden. Einmal hatten wir einen, der war mondsüchtig und kletterte auf den Gerüsten über unseren Betten herum. Das war spannend.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Theatersaal mit Bühne (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Theatersaal mit Bühne (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Wir spielten viel Theater; fast jeder Schüler erlernte ein Instrument.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Orchester (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Orchester (Foto um 1925, Hiltruper Museum)

Regelmäßig kam der Zauberkünstler Peschmario aus Münster, der uns mit seinen Kunststücken erfreute. Unvergeßlich sind mir die vielen Ausflüge in die Umgebung Münsters, wo wir für die Natur begeistert wurden. Wir durchstreiften die Hohe Ward und die Davert.

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Kapelle (Foto 1898, Hiltruper Museum)

Kloster der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup: Kapelle (Foto 1898, Hiltruper Museum)

Natürlich besuchten wir täglich die Messe; und ich erinnere mich, daß wir bei Abendandachten betend und singend durch den Park zogen. Herrlich war es, wenn Patres aus den Missionsgebieten von ihrer Arbeit und den Menschen dort erzählten. Das war beeindruckender als jedes spannende Buch. Es waren wirklich Weltmänner, die eine andere Weltvorstellung hatten, als wir es vom Elternhaus her kannten.

Die Patres waren ihrer Zeit voraus. Wir lernten Erstaunliches in den Naturwissenschaften Chemie, Astronomie, Physik; aber auch für unsere Neigungsfächer wurde viel getan. Die Zufriedenheit des Klosters strahlte auf uns aus. Ein Leben lang hat mich die Gemeinschaft begleitet. Ich habe lange von den zwei Jahren in Hiltrup gezehrt, die ich im Kloster verlebt habe.

Leider wurde die Ernährungsversorgung im Ersten Weltkrieg für das ganze Haus sehr schlecht. Man hatte sogar den Patres alle Schweine gestohlen. Weil wir nichts mehr zu essen hatten, holten mich meine Eltern im Jahre 1918 nach Münster zurück. Aber dort im Gymnasium fehlte mir die Atmosphäre des Klosters und der enge Kontakt zu den Lehrern, den ich bis dahin gehabt hatte.“

Hermann Dierksmeier war in seiner Jugend aktiver Preußenspieler. Er studierte nach dem Abitur Volkswirtschaft und wurde Journalist. Bis zu seiner Pensionierung war er in der Münster-Stadt-Redaktion der Westfälischen Nachrichten tätig. Er starb 1996.

Umschlag einer Serie von Fotos aus dem Schulleben der Ordensschule der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup (um 1925)

Die meisten der Bilder oben stammen aus einem „Sammel-Briefchen“ im Bestand des Hiltruper Museums mit Fotos aus dem Schulleben der Ordensschule. Sie sind im Format 12 × 8 cm einfarbig auf sehr einfachem dünnen Kartonpapier gedruckt. Das „Sammel-Briefchen“ trägt die Herkunftsangabe „Kunstanstalt Kettling & Krüger Schalksmühle, Hagen i. W. Nr. 3541“ und ist in den 1920er Jahren produziert, die Fotos sind deshalb auf „um 1925“ datiert.

Umschlag einer Serie von Fotos aus dem Schulleben der Ordensschule der „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ in Hiltrup (Rückseite; um 1925)


(Das Kloster wurde am 8.12.1897 eingeweiht. 1940 wurde die Ordensschule vom NS-System geschlossen, 1941 wurden die Patres vertrieben. Nach ihrer Rückkehr 1946 starteten sie die frühere Ordensschule als öffentliches Kardinal-von-Galen-Gymnasium. Ab 1968 wurden auch Evangelische und Mädchen aufgenommen. 1975 übernahm das Bistum Münster die Schule, da der Orden sie nicht mehr tragen konnte. Der Orden baute ein neues kleineres Klostergebäude im Klosterwald und verkaufte 1978 das alte Klostergebäude an das Land Nordrhein-Westfalen. 1974 kaufte die damals noch selbständige Gemeinde Hiltrup das Gebäude. Die Stadt Münster verkaufte das Klostergebäude 1983 an einen Investor, die Kapelle wurde 1984 abgebrochen.)