Anker und Sonnenrad
Wappen stehen für Geschichte. Ursprünglich waren sie Bestandteil von Rüstungen, aus dem 12. Jahrhundert stammen die ersten Darstellungen von Schildzeichen. Blütezeit der Wappen in Europa war die Zeit vom späten 14. bis zum frühen 16. Jahrhundert. Sie dokumentierten eine adelige Herkunft. Im 19. Jahrhundert interessierte sich zunehmend auch das Bürgertum für Genealogie und Heraldik, das Wappenwesen blühte wieder auf. In den 1950er und den 1970er Jahren gab es in Deutschland ein auffällig starkes Interesse an kommunaler Heraldik, Wappen waren als Ausdruck lokaler und regionaler Identität wichtig.
In diesem Zusammenhang steht auch das Wappen der ehemaligen Gemeinde Hiltrup. Der Heimatverein thematisierte Hiltrups Geschichte; im Vorfeld der kommunalen Gebietsreform kämpfte Hiltrup um seine Selbständigkeit. Im Jahr 1965 verlieh der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen das Wappen: „In Gold (Gelb) ein schrägliegender roter Anker, im linken Obereck ein rotes Sonnenrad mit silbernen (weißen) Speichen.“ Das Symbol des Ankers soll laut Wikipedia-Eintrag doppelte Bedeutung haben als Attribut des Papstes Klemens, Patron der Ortskirche, und als Sinnbild für den Kanalhafen am Dortmund-Ems-Kanal; das Sonnenrad soll als redendes Symbol für den Namen des mittelalterlichen Adelsgeschlechts Sonnborn stehen.
Tatsächlich steht der Anker für die Verehrung von Sankt Clemens, einem der ersten christlichen Bischöfe des 1. Jahrhunderts. Zunächst war überliefert worden, er sei eines natürlichen Todes gestorben. Erst im 9. Jahrhundert kam die Legende auf, er sei als Märtyrer an einem Anker im Meer versenkt worden. Am Meeresboden sei ein Tempel mit seinen Gebeinen entstanden. Die Gebeine seien später gefunden und dem Papst Hadrian II. als Reliquie geschenkt worden; von hier aus seien Reliquien nach Münster gelangt und von dort nach Hiltrup. Spätere Darstellungen zeigen Clemens mit Anker oder Fisch, in Einzelszenen wird er unter anderem mit einem Mühlstein um den Hals aus einem Boot ins Meer geworfen.
Soweit der Anker für „den“ Hiltruper Kanalhafen stehen soll, war diese Sinngebung schon bei Verleihung des Wappens im Jahr 1965 nicht mehr tragfähig. 1965 existierten zwar noch drei Kanalhäfen in Hiltrup. Der Hafen des Glasuritwerks hatte aber keine Bedeutung mehr und wurde wenig später zugeschüttet. Das Sägewerk von Wentrup, das über einen weiteren Kanalhafen Holz geliefert bekam, war in Schwierigkeiten, das Inlandsholz-Sägewerk wurde 1968 stillgelegt. Der dritte Kanalhafen an der Kanalinsel (in der Nähe der Kläranlage) hatte ebenfalls keine Zukunft mehr.
Geblieben ist der Anker im Rahmen des närrischen Brauchtums. Zur Eröffnung der Karnevalszeit hebt der Carnevalsclub Hiltrup den Anker aus dem Kanal, Aschermittwoch wird der Anker wieder versenkt.