Rettet die WN – vor sich selbst

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Atom und kein Ende

Viel erwarten wir nicht von einer Provinzzeitung. Es sind harte Zeiten für die Printmedien, die Werbeeinnahmen brechen weg. Ein paar Journalisten muss man schon noch bezahlen, und den Preis fürs Abo kann man auch nicht unendlich hochschrauben. Aber musste das wirklich sein, so abgestandenen kalten Kaffee auf Seite 1 aufzuwärmen?

„Mehrheit wünscht sich Rückkehr zur Atomkraft“ serviert die WN am 7.4.2025 als Knaller auf Seite Eins. Wirklich ein Knaller. Haben wir da etwas so Wichtiges übersehen? Die Nachbarn im kleinen Hiltrup haben davon nichts erzählt. Und wenn man nachdenkt: Eigentlich beschränken sich die Hiltruper Knaller eher auf Schweine (die man essen, aber nicht produzieren will) und auf Windräder, geplante genauso wie kaputte. Und nun Atom?

Kalten Kaffee setzt uns da die WN vor. Vor einer Woche hat das Handelsblatt das ewige Atom-Thema noch einmal aufgewärmt, aber auch das Handelsblatt hatte nur den kalten Kaffee verflossener Zeiten aufgewärmt. Und nun klappt die WN mit Verspätung nach.

“Ein Projekt mit vielen Fragezeichen“ hatte das Handelsblatt vorsichtshalber hinzugefügt, aus gutem Grund. Denn die Atombegeisterung von ein paar Leuten in CDU und CSU wollte schon im Wahlkampf nicht zünden. Da hatte Söder in Bayern eine Atomruine wieder in Betrieb nehmen wollen, die schon keine technischen Eingeweide mehr hatte. Und der Eigentümer der Ruine hatte sofort abgewinkt: Nein danke, kein Interesse. Atomkraft rechnet sich nicht. Erst recht nicht, wenn man gegenüberstellt: Wie lange dauern Planung, Genehmigungsverfahren, Bau, Betrieb, Rückbau und Endlagerung – und wie lang ist die Halbwertzeit einer Regierung, die Zick-Zack für Politik hält? Mit einer CDU, die alle Jahre wieder aus der Atomkraft aussteigt?

Aber halt: Die WN verweist doch auf eine Umfrage, eine Firma Innofact hat angeblich die Lust der Bürger auf Atom festgestellt? Nun, wenn man die Internetseite von Innofact besuchen will, muss man Geduld mitbringen. Das lädt nicht alles, wie es soll, es ist eben ein Mittelständler, der um seinen Platz im Werbemarkt kämpft. „INNOFACT hat im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung belegt, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien bei vielen Bürgern eine recht hohe Akzeptanz besitzt, aber gleichzeitig viele Fragen aufwirft“, liest man da. Nanu, die haben doch angeblich Atombegeisterung festgestellt? Kostenlos kann man angeblich die Studie zu den Erneuerbaren ansehen – man folgt dem Link und landet auf der Internetseite des Auftraggebers. Ohne Studie. Innofact bewirbt sich selbst mit „Online Marktforschung – von lokal bis international / Über 500.000 Probanden alleine in Deutschland“. Klappern gehört zum Handwerk. Journalisten haben doch eigentlich die Aufgabe, solche Behauptungen kritisch abzuklopfen?

Nicht jede Umfrage muss man ernst nehmen. Und nicht jeden CSU-Mann muss man ernst nehmen, vor allem, wenn es um Abenteuer geht: „Staat könnte als Betreiber von Kernkraftwerken einspringen“ meldet die WN als Meinung der „Union“, also als politischen Willen von CDU und CSU. Das soll wirklich Meinung der Union sein? Weil die Atomkraft sich nicht rechnet, soll der Staat das Defizit decken? Und soll Atomkraftwerke betreiben, die man gegen Putins Raketen nicht verteidigen kann, die uns erpressbar machen?

Nein, so verrückt kann die Mannschaft um Merz nicht sein. Selbst um Merz. Bevor man als Zeitung so etwas in die westfälische Welt setzt, hätte man recherchieren müssen.

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