Wo bleibt eigentlich die CDU
Man trifft sich auf dem Hiltruper Markt. Wie erleben Sie die aktuelle Situation? Der angesprochene Nicht-Biodeutsche zögert mit der Antwort. Die Politiker da oben sind schuld, sagt er schließlich. Die machen, dass die Empörung und die Schuldzuweisungen an alle Einwanderer explodieren. Er schaut sich keine Nachrichten mehr an, nur noch Fußball. Und er hat Kinder. Es ist alles furchtbar, sagt er, aber was soll man machen? Der Hass kommt von oben.
Im Bundestag erklärt der Kanzlerkandidat der CDU am 29.1.2025 laut Parlamentsprotokoll: „Wir haben in Deutschland ein massives Problem mit der Ausländerkriminalität, vor allem unter den Asylbewerbern. Dieser Hinweis auf die Asylbewerber ist mir besonders wichtig, meine Damen und Herren.“ Der Kandidat verbindet in wenigen Worten seiner Rede die Gedenkstunde zur Befreiung von Auschwitz, einen Angriff auf die AfD und die Verbrechen in Magdeburg und Aschaffenburg. Das alles komprimiert er auf die Formel von der Ausländerkriminalität unter Asylbewerbern: Asylbewerber = Kriminalität. Hämische Begeisterung brandet auf bei der AfD, man kann es im Protokoll detailliert nachlesen.
Was von einem Politiker zu halten ist, der seine eigene Brandmauer niederreißt und Reklame für die Feinde der Demokratie macht, mag jede® für sich selbst entscheiden. Die Medien sind voll von Kommentaren.
Und was ist davon zu halten, wenn dieser Politiker die niederträchtigen Parolen der Demokratiefeinde nachbetet? Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse geiferte die AfD im Jahr 2018. Damals verwies die CDU auf ihr christliches Menschenbild: „Was Sie heute gemacht haben, ist das glatte Gegenteil davon. Dafür sollen Sie sich schämen.“ Gilt das heute nicht mehr? Oder muss der Kandidat von 2025 sich nicht doch schämen?
Wir erleben aktuell eine weitere Zuspitzung der Hetze, der Spaltung. Ob nun „Messermänner“ oder „Asylbewerber = Kriminalität“, der Kern der Parolen ist derselbe. Es ist der blanke Hass gegen Ausländer. 2025 hat die Attacke nur eine andere Qualität bekommen: Sie kommt aus der Mitte der Gesellschaft – oder ist dieser Kandidat, ist diese Partei gerade an den Rand der Gesellschaft gedriftet?
Makaber ist es, wenn die Opfer der Verbrechen in Magdeburg und Aschaffenburg so plump für Hetze missbraucht werden. Ja, es sind furchtbare Verbrechen. Sie hinterlassen langanhaltenden Schmerz. Rechtfertigen sie es, so brutal auf große Teile unserer Gesellschaft einzuschlagen?
Der Kandidat hat sich in seiner Rede vorsorglich ein Alibi gebastelt. Es ist beispielhaft trickreich: „…
wir haben zugleich eine große Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland zum Teil seit Jahrzehnten leben, in zweiter, dritter und vierter Generation. Diese Menschen sind Teil unseres Landes. Es sind Menschen, die Deutsche sind, die mit uns leben und arbeiten, die Familien haben und ohne die unser Land einfach nicht bestehen könnte.“ Die meine ich nicht, soll das heißen, aber der Kandidat beschränkt die Aussage zugleich auf diejenigen, „die Deutsche sind“. Wer keinen deutschen Pass hat, muss raus. So sagt es der Kandidat.
Zwei Tage später ist der Kandidat im Bundestag gescheitert. Sein „Zustrombegrenzungsgesetz“ hat am 31.1.2025 keine Mehrheit bekommen. „Ein Sieg der Anständigen“, so kommentiert es das Zentralkomitee der deutschen Katholiken.
Ausländer raus, diese dumpfe Parole hat eine so furchtbare Tradition in Deutschland. Nicht deutschblütig, fremdvölkisch, vor 100 Jahren waren das die Parolen der Nazis. Jetzt sind sie wieder da – oder immer noch?
Mit Tatsachen hat das alles nichts zu tun, es ist reine Emotion. Von Zeit zu Zeit kommen ja auch einmal Kriminologen zu Wort, sie stützen sich auf amtliche Statistiken und sagen ganz nüchtern: Im großen und ganzen unterscheidet sich die Kriminalität von Ausländern nicht von der Kriminalität der Inländer. Es gibt Unterschiede zwischen den Altersklassen, junge Männer fallen öfter auf – mit und ohne deutschen Pass.
So schrecklich es ist, Kapitalverbrechen von psychisch gestörten Menschen wie in den letzten Wochen lassen sich nicht völlig verhindern. Münster hat seine eigenen Erfahrungen gemacht, vor 20 Jahren fuhr ein „Bio-Deutscher“ in der Innenstadt mit dem Auto in eine Menschenmenge.
Die evangelische und die katholische Kirche haben den Kandidaten noch vor der Bundestagssitzung am 29.1.2025 gewarnt: „Zeitpunkt und Tonlage der aktuell geführten Debatte befremden uns zutiefst. Sie ist dazu geeignet, alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren und trägt unserer Meinung nach nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen bei.“
Und was sagt der Hiltruper CDU-Kandidat dazu?
Ach je. Gern geht er mit dem christlichen Mäntelchen spazieren, aber wenn es ernst wird, stimmt er mit der AfD (am 29.1.2025): „Die Täter der Terroranschläge … belegen, dass es in Deutschland ein Problem mit illegaler Migration gibt. …, wir müssen jetzt durchgreifen und handeln! Die Bevölkerung erwartet von der Politik, endlich Lösungen zu finden“ (WN 30.1.2025). Und natürlich eine flaue Erklärung, dass die Zusammenarbeit mit der AfD keine Zusammenarbeit ist (vermutlich vorformuliert von der Parteispitze).
Es sind die Sprüche aus dem Wörterbuch der Unmenschen. Die Täter der Terroranschläge belegen – wenn überhaupt irgendetwas -, dass psychische Erkrankungen zu unberechenbaren Handlungen führen können. Nicht mehr und nicht weniger. Und die Vokabel vom „Durchgreifen“ ist das abgenutzte Standardrepertoire ratloser Politiker, die zu irgendeinem Verbrechen irgendetwas sagen müssen, ohne eine echte Lösung anbieten zu können.
Wie er am 31.1.2025 abgestimmt hat? Man weiß es nicht. Bei der Union gab es 12 nicht abgegebene Stimmen: Sollte er vielleicht dabei gewesen sein? Aber nein, laut Protokoll hat er brav mit der AfD abgestimmt, „Ja“ zu einem „Zustrombegrenzungsgesetz“. Das ging auch anders. Die aus Münster stammende Monika Grütters (CDU) gehört zu den aufrechten Zwölf, sie hat nicht mit AfD und CDU gestimmt – aber die muss ja auch nichts mehr werden.
Also noch einmal die Frage: Wo bleibt eigentlich die CDU, wenn es um Anstand und Recht geht? Warum kann ein angeblich christlichen Werten verpflichteter Kandidat nicht dazu stehen? Warum lamentiert er stattdessen, er fühle sich wegen seines Abstimmungsverhaltens „von seinem eigenen Laden [der katholischen Kirche] bloßgestellt“ (WN 4.2.2025)?
Der Kandidat war „vorgeladen“ von der CDU-Ortsunion Angelmodde, und es hieß, die kfd-Frauen schössen per Brief scharf gegen die CDU. Die Antwort, wo eigentlich die CDU bleibe bei Anstand und Recht, gab darauf laut WN (4.2.2025) der Vorsitzende der CDU-Ortsunion: „So geht das eigentlich nicht.“ Ja wo kommen wir denn da hin, wenn die Frauen eine eigene Meinung haben? Und die katholischen Frauen nicht alles richtig finden, was die CDU macht?
Nachtrag: Es ist ein früherer Nachbar, der jetzt die „Flotte Bohne“ gegenüber der Lambertikirche aufgibt. Ein umgänglicher, fleißiger Mann. Hat klein angefangen mit seinem Espresso-Mobil, in der Grünanlage von St. Clemens in Hiltrup hat er Espresso verkauft. Dann hat er das winzige Lokal in der Stadt übernommen, die uralte Erfolgsgeschichte vom Selfmademan. Er hat nur einen Fehler, man sieht im an, dass er nicht von hier ist. Der Pöbel hat ihn aus seinem Lokal vertrieben (WN 31.1.2025). Ausländer raus. Was sagt der Hiltruper CDU-Kandidat dazu?
(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 4.2.2025.)
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