Gas für die gute Stube

Blick in die Zukunft? Heiz-Display (Foto: Henning Klare)
Blick in die Zukunft? Heiz-Display (Foto: Henning Klare)

Wie und wo wollen wir’s warm haben?

Putin für Kreativität. Er dreht den Gashahn zu, wir drehen auf, was die Verkündung kreativer Ideen angeht. Allen voran natürlich Herr Lindner und seine FDP. Nach Atom kommt im FDP-Alphabet das Fracking. Wieder einmal wird eine „ergebnisoffene Prüfung“ gefordert. Als ob die ergebnisoffene Prüfung nicht vor Jahren schon ergeben hätte, dass Fracking wenig bringt und ungeklärte Umweltrisiken birgt. Problematische Chemie wird dabei in den Untergrund gepresst und gefährdet das Grundwasser, die Gas-Ausbeute ist gering. Das Umweltbundesamt (UBA) hat schon 2014 seine Bedenken formuliert. Und der Öffentlichkeit eine Diversifizierung der Lieferländer und Energiequellen empfohlen sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien im europäischen Verbund.

Deutschland hat wider besseres Wissen seine Hausaufgaben nicht gemacht. Gas wird also knapp und teuer. Was tun?

Aus der grünen Ecke kommen Geldforderungen. Bei künftigen Entlastungen müsse man zielgerichteter werden, „etwa, indem wir Zuschüsse sozial staffeln“. Die Schuldenbremse sei dabei zweitrangig. Was damit genau gemeint ist, bleibt unklar. Empfänger von Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV haben Anspruch auf eine angemessene Unterkunft inklusive Nebenkosten und Heizung; in diesem Rahmen kann sich das Jobcenter für die Berechnung des Heizkostenzuschusses zum Beispiel nach dem bundesweiten Heizspiegel richten, steigende Heizkosten sind damit abgedeckt. Wollen die Grünen also eine neue Sozialleistung einführen für kleine Einkommen oberhalb ALG II bzw. Hartz IV?

Gas wird aller Wahrscheinlichkeit nach auf Dauer deutlich teurer als bisher. Wer hier Zuschüsse an die Bürger zahlen will, muss sich auf eine sehr lange Laufzeit einstellen. Das geht ins Geld. Solche Staatsleistungen oberhalb der bisherigen Sozialleistungen wird man also auf einen kleinen Kreis von Empfängern beschränken müssen.

Und wenn das Gas nicht mehr für alle reicht?

Zurzeit werden beruhigende Meldungen verbreitet. Die Versorgung sei sicher, und für’s Heizen gebe es auf jeden Fall Gas. Aber die Speicher sind nicht gefüllt: Was ist, wenn der Industrie das Gas ausgeht? Können wir es hinnehmen, wenn wichtige Produkte nicht mehr produziert werden, wichtige Industrien kein Geld mehr verdienen und ihre Leute entlassen? Solche Notlagen wird man gemeinsam schultern müssen, knappes Gas wird man sich teilen müssen. Über den Preis lässt sich das schnell regeln: 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs der Vorjahre bekommt man zum marktüblichen Preis (also teuer), alles darüber hinaus kostet das Doppelte. Oder so ähnlich.

Damit solche Rosskur nicht nötig wird, müssen alle ihren Gasverbrauch verringern. Freiwillig haben viele das jetzt schon getan, man muss sich nur mal umhören. Ab 24. Februar 2022 haben sie den Thermostat herunter gedreht, 20 Grad Raumtemperatur im Wohnzimmer reichen. Zur Not gibt es Pullover. Und plötzlich kommt die gute Stube wieder in Mode: Müssen wir wirklich alle Räume unserer immer größeren Wohnungen auf 20 Grad heizen? Bis zum Jahr 2020 ist die Wohnfläche je Einwohner auf 47,4m² gestiegen, muss das alles warm sein? Kleinkariert fanden wir solche Gedanken bislang. Bei den Altvorderen war es ganz selbstverständlich, sie mussten sparen.

Wer darüber nachdenkt, sucht schnell nach Wegen, das Gas-Sparen zur Pflicht zu machen. So wird diskutiert, in die bestehenden Wohnungsmietverträge einzugreifen. Die Vermieter sollen nach diesen Vorschlägen nicht mehr verpflichtet sein, zum Beispiel 21 Grad in den Wohnräumen zu gewährleisten, 18 Grad tagsüber sollen reichen. Es ist ein absolut unsozialer Vorschlag, er ignoriert die individuelle gesundheitliche oder familiäre Situation der BewohnerInnen.

Wie wäre es alternativ mit einer neuen Wärmepumpe? Für den nächsten Winter wird das allerdings nichts mehr. Die Installateure sind ausgebucht, die Lieferfristen lang und die Preise hoch. Vor allem aber: Die Wärmepumpe steht im Altbau am Ende einer langen Kette von Investitionen, vorher muss der Wärmebedarf gesenkt werden. Das braucht viel Geld – und Zeit.

Zu Recht hat Kanzler Scholz es abgelehnt, sich zu einzelnen Vorschlägen dieser Art zu äußern. Die Regierung muss erst Hausaufgaben machen, ein Gesamtpaket steht an. Aber eins ist klar: Putins Krieg wird für uns alle teuer. Eigeninitiative ist gefragt in der Modernisierung von Gebäuden und im eigenen Verhalten. Und nichts treibt Eigeninitiative so an wie steigende Preise.