Facebook will es nicht gewesen sein
Alles nicht unser Bier? Von Ferne hören wir ein Grummeln. Unlautere Beeinflussung des letzten Präsidenten-Wahlkampfs in den USA, russische Trolle im Internet, Untersuchung von Russland-Kontakten der Trump-Truppe – man nimmt es in Europa als Randnotiz wahr. Russia Today mit Fake-Meldungen aus Berlin, auch das ist schon längst wieder vergessen, Schnee von gestern. Jetzt hören wir von Facebook Das gesamte Unternehmen ist entsetzt darüber, dass wir hintergangen wurden. Böse Verbrecher haben angeblich den unschuldigen Mark Zuckerberg reingelegt, 50 Millionen Facebook-Kundendaten abgegriffen und die Präsidentenwahl manipuliert. Armer Mark Zuckerberg.
Wie naiv sind eigentlich all die Facebook-Nutzer? Glaubt denn im Ernst irgendjemand, dass man irgendwo in der Weite des Internet irgendetwas aus edlen Motiven heraus geschenkt bekommt?
Alles, was da unter dem Etikett Social Media angeblich kostenlos angeboten wird, kostet. Keins dieser großen Systeme wie Facebook funktioniert ohne Geld. Systeme müssen programmiert und unterhalten werden, Personal, Rechner und Netzwerke müssen bezahlt werden – und die Eigentümer wollen Gewinn machen. Weder Mark Zuckerberg noch andere Anbieter dieser Systeme verschenken etwas. Die Nutzer zahlen mit ihren Daten, mit der Offenlegung ihrer Persönlichkeit, mit der Akzeptanz von Werbung und Verkauf, mit der Unterwerfung unter eine ausgefeilte Manipulation. Die Systeme müssen deshalb ein Höchstmaß an Neugier entwickeln und absolute Kostenminimierung betreiben um zu funktionieren. Datenschutz und Vertraulichkeit sind damit unvereinbar.
Wenn also Cambridge Analytica Millionen von Nutzerdaten bei Facebook abgegriffen und für politische Zwecke benutzt hat, dann ist das kein Unfall. Solche Aktivitäten sind systembedingt; die Systeme sind darauf angelegt, die Nutzer auszuspionieren und diese privaten Daten für alle möglichen Zwecke zu benutzen. Missbrauch ist hier das falsche Wort: Ausforschung und Manipulation der Nutzer sind der eigentliche Zweck. Was Cambridge Analytica gemacht hat, war der bestimmungsgemäße Gebrauch des Systems.
Wer sagt uns, dass Mark Zuckerberg nicht einverstanden war mit der Wahlbeeinflussung durch Cambridge Analytica? Wer kontrolliert Mark Zuckerberg?
Man kann über die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland, also über ARD und ZDF viel sagen, aber man muss einräumen, dass diese Medien sehr transparent sind und einer breiten öffentlichen Kontrolle unterliegen. Social Media dagegen befinden sich zurzeit noch in Goldgräberstimmung, in einer Art Faustrecht. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist in Deutschland ein erster Schritt, solche krassen Verstöße gegen die Grundlagen unserer Demokratie einzudämmen. Weitere müssen folgen.