Eine Demonstration
Das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und NS-Staat hatte sich 1938 zugespitzt. Der Hiltruper Gemeinderat hatte 1933 sofort einen Kandidaten der NSDAP zum Bürgermeister gewählt. Die Hiltruper Missionsschwestern waren 1935 in ein Strafverfahren verwickelt, die Vertreibung der Hiltruper Patres aus ihrem Kloster im Jahr 1941 stand bevor; Bischof von Galens Kirchenzeitung war verboten, einzelne Ausgaben des kirchlichen Amtsblatts wurden beschlagnahmt, kirchliche Fahnen durften nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgezogen werden. In dieser Atmosphäre kam von Galen am 13.7.1938 zur Firmung nach Hiltrup.
Die Hiltruper Missionsschwestern schmückten die Zufahrt zu ihrem Missionshaus mit einem riesigen Blumenteppich von christlichen Symbolen. In Großbuchstaben leuchtete „CREDO“ allen Betrachtern entgegen, „Ich glaube“. Frisches Grün war an den Alleebäumen dekoriert, wegen des Fahnenverbots waren anstelle der Fahnen Kränze zwischen die Bäume gehängt.
Aber nicht nur der Orden empfing den Bischof mit Pracht. Auch die Zivilgesellschaft demonstrierte mit allen verfügbaren Mitteln, dass der Bischof in Hiltrup willkommen war. Ein feierlicher Reiterkorso begrüßte ihn, …
… genauso wie ein kunstvoller Fahrradkorso: In feierlicher Kleidung balancierten die Radler Kreuz und Girlanden durch den langen Blumenschmuck auf der Straße.
Bischof von Galen stellte sich demonstrativ hinter den Hiltruper Pfarrer Reddemann (auf dem Foto rechts).
Betrachtet man diese Fotos aus heutiger Perspektive im Kontext des Jahres 1938, kann man darauf schließen: Es ging mit dieser Inszenierung damals nicht nur um die Firmung, sondern um ein „Flaggezeigen“ der katholischen Kirche gegenüber der NS-Herrschaft.
Der national-konservative von Galen konnte dabei ein großes freundliches Echo aus dem katholischen Milieu Alt-Hiltrups erwarten. Ob Korso und Triumphbogen allerdings für die gesamte Bevölkerung Hiltrups standen, bleibt offen. Hiltrup hatte sich in den Jahrzehnten davor zu einem Industriestandort entwickelt und viele auswärtige Arbeitskräfte angezogen, seit der Jahrhundertwende hatte sich Hiltrups Bevölkerung fast verfünffacht. Die moralischen und politischen Ansichten dieser Zugezogenen dürften sich stark unterschieden haben von denen von Galens: Er hatte vor 1933 eine Mitgliedschaft in linkssozialistischen Parteien für unvereinbar gehalten mit der Zugehörigkeit zur Kirche, er trat rechts von der Zentrumspartei gegen moralische Liberalisierung und sozialistische Ideen ein (vgl. Rudolf Morsey, Clemens August Kardinal von Galen – Größe und Grenze eines konservativen Kirchenfürsten).
(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 23.3.2023.)