Die Bundestagswahl 2021 liegt hinter uns, die große Koalition ist Geschichte, Deutschland hat genauso wie seine Nachbarn Fremdenfeinde und Rechtsradikale im Parlament. Aber wie sieht es in Münster aus, wie in Münster-Hiltrup?
In Münster ist es finster, hieß es früher, der Bischof gibt die Richtung vor, alle wählen schwarz und die SPD hat keine Chance. Tatsächlich wählte Münster einige Jahre lang mehr SPD als im Bundesdurchschnitt. 2005 drehte sich die Tendenz in Münster: seit dieser Wahl bis 2017 war in Münster der Zweitstimmenanteil der SPD für den Bundestag höher als im Bundesdurchschnitt. Mit der Wahl 2021 kippte dieser Trend wieder, das Zweitstimmenwahlergebnis der SPD in Münster fiel im Vergleich zu der bundesweiten Entwicklung deutlich zurück. Über die Ursachen kann man nur spekulieren: Waren es das Desaster der SPD in der Kommunalwahl und die danach folgenden Wirren der geschrumpften Ratsfraktion?
Aber Hiltrup! In Münsters Stadtbezirk Hiltrup wird traditionell noch etwas mehr SPD gewählt als im Durchschnitt der Stadt Münster insgesamt. 2021 hat Hiltrup sich jetzt vom Trend der Gesamtstadt abgekoppelt, der Zweitstimmenanteil der SPD ist parallel zur Entwicklung auf Bundesebene deutlich gewachsen.
Der Vergleich mit dem Bundestrend gibt allerdings ein schiefes Bild. Will man die Entwicklung in Münster einordnen, dann ist der Bundestrend nur bedingt aussagefähig. Denn die Stimmenanteile bezogen auf die gesamte Bundesrepublik werden seit der Wiedervereinigung im Jahr 1989 durch die besondere Entwicklung in den neuen Bundesländern beeinflusst; die hohen Ergebnisse der Linken und der AfD in den neuen Bundesländern drücken natürlich in der bundesweiten Zusammenfassung die Stimmanteile auch der SPD.
Nimmt man anstelle des Bundestrends die Ergebnisse der SPD auf der Ebene des Landes Nordrhein-Westfalen, ergibt sich ein anderes Bild: Die SPD liegt 2021 bei den Zweitstimmen in der Stadt Münster (23,45%) mehr als 5 Prozent unter dem NRW-Durchschnitt (29,1%). Der Abstand ist seit 1994 kleiner geworden, aber er ist nach wie vor deutlich und 2021 konstant geblieben.
Ergebnis: Auch wenn in Hiltrup mehr SPD gewählt wird als in den übrigen Stadtbezirken von Münster – Hiltrup ist noch lange nicht rot. Der Juniorpartner in einer großen Koalition darf eben ordentliche Politik mitgestalten, die Wähler honorieren das aber nicht. Und die Hiltruper haben Gesprächsbedarf: In ganz Münster hat die AfD nur noch schlappe 2,87% (2017: 4,94%) der Zweitstimmen bekommen, im Stadtbezirk Hiltrup sind es 4,61% (2017: 7,30%). Das ist zwar noch weit weg von den Verhältnissen im Osten und liegt auch unter den 7,3% (2017: 9,4%) auf der Ebene von NRW, aber die Frage bleibt: Wer sind die Abgehängten, die in Hiltrup AfD wählen?
Was noch auffällt: Die großen „Volksparteien“ SPD und CDU haben in den letzten Wahlen erheblich Bindungskraft verloren. Stapelt man ihre Zweitstimmenergebnisse in NRW in der Grafik übereinander, ist das deutlich zu sehen. Von 1953 bis 1998 haben beide Parteien zusammen immer mindestens 80% der Zweitstimmen auf sich vereinigt. Seit 2002 steigt der Anteil der „Kleinen“, und in der Bundestagswahl von 2017 liegt der Anteil von SPD und CDU in NRW zusammen erstmalig unter 60%; 2021 beträgt er nur noch 55%.
(Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 16.11.2021.)