Wie die Armen die Steuersenkungen für die Reichen finanzieren sollen
Sie können einem schon leid tun, die CDU-Kandidaten im Bundestags-Wahlkampf 2025. Ihr Spitzenkandidat disqualifiziert sich fortlaufend mit aggressiven Sprüchen, und sie sollen das vor Ort den BürgerInnen verkaufen. Je abenteuerlicher desto besser ist die Devise. Da scheinen die rauen Sitten der unsozialen Medien auch anderswo die Sitten verdorben zu haben: Schrill bis kreischend tritt auf, wer unbedingt gehört werden will.
Die CDU kündigt grandiose Wahlgeschenke an, jeder soll was abbekommen. Die Steuern sollen gesenkt werden, wer bietet mehr? Die FDP liegt in diesem Wettbewerb natürlich vorn. Ihr glaubt ohnehin niemand mehr, da kann sie ruhig Steuersenkungen in Höhe von 138 Milliarden versprechen. Dicht dahinter die CDU mit 89 Milliarden. Das sieht selbst das seriös-konservative Institut der deutschen Wirtschaft kritisch: „Bei Union und FDP gibt es hier ein großes Fragezeichen“, woher das Geld für die laufenden Ausgaben des Staates denn dann kommen soll. Gegenfinanzierung nennt man das, und die ist völlig offen bei diesen grandiosen Versprechungen.
Aber die CDU hat ja ihren Kanzlerkandidaten, der ist nie um einen flotten Spruch verlegen. So auch hier: Das Bürgergeld soll abgeschafft werden, sagt er. Mit der CDU soll es eine „neue Grundsicherung“ geben, die soll einen zweistelligen Milliardenbetrag einsparen. Genauer sagt er das lieber nicht. Bei so großen Zahlen ist das Rechnen ja auch schwierig, nicht wahr?
Für flüchtige Zuhörer ist das eine sehr eingängige Formel. Von unserem sauer verdienten Geld müssen wir jeden Monat Steuern zahlen, damit die sich mit dem satten Bürgergeld auf die faule Haut legen. Endlich sagt das mal einer, dass die überhaupt nicht arbeiten wollen. Endlich macht denen mal einer Beine und schickt sie an die Arbeit!
So wunderbar populistisch und so gemein falsch sind diese Sprüche. Sie bedienen so schrecklich einfach den Riss im Land zwischen „denen da oben“ und „denen da unten“, sie nutzen und befeuern den Sozialneid. Und sie funktionieren nur so lange, wie keiner genauer hinschaut.
Solidarität mit den Armen und Hilflosen ist moralisch und rechtlich geboten, das gilt auch für Wahlkämpfer der CDU. Ob das nun Sozialhilfe, Stütze, Hartz IV oder Bürgergeld heißt, den rechtlichen Rahmen hat das Bundesverfassungsgericht genau festgelegt. Umbenennen kann man diese Leistungen jederzeit, der Inhalt ist aber kaum veränderbar.
Genau hinzuschauen beim Geldausgeben ist genauso moralisch und rechtlich geboten. Natürlich gibt es wie bei jeder Geldleistung des Staates – dazu gehören auch Subventionen für die Industrie – Missbrauch. Den muss man erkennen und sanktionieren. Beim Bürgergeld ist das ein verschwindend geringer Prozentsatz. Der taugt nicht dazu, das gesamte System in Frage zu stellen und die Staatsfinanzen zu sanieren.
Was macht nun der arme Kerl von der CDU, der in Münster mit diesen Sprüchen des Parteivorsitzenden zur Wahl antreten muss? Er kann dem Thema nicht ausweichen, auch wenn er es vielleicht besser weiß. Also lädt er zu einer Diskussionsrunde ein, dort kann er sich etwas zurücknehmen und andere reden lassen (Bericht der Westfälischen Nachrichten vom 21.12.2024). Die Fachleute in der Runde erklären ihm dann, dass die Leistungsempfänger oft keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung haben. Sie sind einfach nicht die Wunschkandidaten der Arbeitgeber, die händeringend nach Fachkräften suchen. Auch mit Leistungskürzungen bekommt man diese Armen beim besten Willen nicht auf die ausgeschriebenen Stellen von Ingenieuren und IT-Spezialisten vermittelt. Und Ausländer müssen erst einmal die Sprache lernen. Sprach- und Integrationskurse, Förderung bringt mehr Menschen in Arbeit, das ist in der Diskussionsrunde die einfache Botschaft der Experten. Und was sagt der arme CDU-Kandidat dazu? Er will Bürgergeld, Wohngeld, Kinderzuschlag und „weitere Systeme“ zu einem „einheitlichen, schlanken System“ zusammenfassen.
Man kann es kaum glauben. Da bleibt von den zweistelligen Milliardeneinsparungen, die der Parteichef verspricht, nichts über. Nur ein neues „System“. Das neue einheitliche System hat uns gerade die gescheiterte grüne Familienministerin ausbuchstabiert zum Thema Kinderarmut: Mit ihrem neuen einheitlichen System wollte sie ein neues Bürokratiemonstrum schaffen, 4000 neue Bürokraten sollten dafür eingestellt werden (macht geschätzt 400.000.000 Euro pro Jahr), der Berg kreiste lange und gebar unter Schmerzen ein winziges Mäuslein. Das soll die Zukunft der CDU sein?
Fast wäre es untergegangen: Die grandiosen Steuersenkungen sollen natürlich zur Hälfte zu Lasten der Bundesländer gehen. Fragen Sie doch mal den NRW-Ministerpräsidenten, was er davon hält.
(Ironie des Schicksals: Neben dem Bericht über die Diskussionsrunde des CDU-Kandidaten zum Bürgergeld prangt in der Printausgabe der WN fett die Schlagzeile „Alles wollen und nichts erreichen“.)
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